Du hast es einfach! Du kannst ja von zu Hause arbeiten!
Und alle so YEAH!
Mutti macht auf Home Office. Das ist total praktisch, wenn man Kinder hat. Quasi traumhaft. Man spart sich die Arbeitswege, es bleibt mehr Zeit für die Familie. Man ist im Notfall zu Hause, wenn das Kind einen braucht. Man ist immer erreichbar und nie weit weg. Man kann in Joggingbuchse arbeiten und hat die Kaffeemaschine gleich nebenan.
Möglicherweise ist das aber nicht immer ganz so einseitig wundervoll. Ich habe da so meine Erfahrungen machen dürfen…
Die Ablenkung ist oft nicht einmal eine Zimmertür weit entfernt. Die Waschmaschine ist nicht nur in der Nähe, auf dem Weg zum Schreibtisch muss ich über Wäscheberge klettern. Ich schlage mir eine Schneise am Frühstücksgeschirr, das dringend in die Spülmaschine müsste, und dem Spielzeugchaos vorbei.
Aber ich bin schon wesentlich länger Freiberuflerin mit heimischem Arbeitsplatz als ich Mutter bin. Ich habe gelernt morgens “pünktlich” die Arbeit aufzunehmen.
Ich bin Chef in meinem Büro
Früher war das leicht. Ich stand um 6 Uhr mit dem Traummann auf (damit ich nicht den halben Tag verpennte und spätestens mittags für Kunden absprechbar war), trank den ersten Kaffee, den zweiten und dritten, öffnete um 7 Uhr die Augen und konsumierte die aktuellen Nachrichten zum vierten Kaffee, duschte, zog mich an, räumte die Wohnung auf, die Spülmaschine ein und schmiss ne Ladung Wäsche an. Spätestens um 9 Uhr saß ich am Schreibtisch. In meinem Büro. Vorbildlich.
Da saß ich dann an neun von zehn Tagen noch, wenn der Traummann von der Arbeit kam, sich auf das Sofa warf und seinen Feierabend einläutete. Mal machte ich zum Abendessen Schluss, mal auch früher, gerne auch mal viel später. Wenn die Aufgaben des Tages eben erledigt waren. Ich war mein Boss. Ein knallharter Boss. Ich habe es geliebt.
Home Office unter erschwerten Bedingungen
Heute ist unser Leben ein anderes.
Vieles ist mehr geworden: Mehr Personen im Haushalt, mehr Lachen, mehr Weinen, mehr Lärm, mehr Wäsche, mehr Dreck, mehr Haushalt, mehr Chaos, mehr Aufgaben, mehr Arbeit, mehr Freude.
Aber es gibt auch Dinge, die sind deutlich weniger geworden: weniger Zeit, weniger Ruhe, weniger Stille, weniger bezahlte Arbeit, weniger Auftraggeber, viel weniger Berufstätigkeit.
Warum ist das mit dem Arbeiten so kompliziert geworden?
Kinder brauchen einen geregelten Tagesablauf, das sollte mir organisatorisch sehr entgegen kommen. Die Realität mit drei so kleinen Kindern läuft aber auf permanente Improvisation hinaus.
“Frau Neumann, Sie arbeiten doch vormittags, oder?” fragte die Erzieherin im Kindergarten. Ohne über das Ziel dieser Frage nachzugrübeln (es ist hier auch völlig uninteressant) war meine Antwort: “Ich arbeite immer dann, wenn ich irgendwie dazu komme. Wenn die Kinder außer Haus sind zum Beispiel. Das ist an idealtypischen Tagen vormittags, ja.”
Zwischen Theorie & Praxis liegen Welten
Rein theoretisch gehe ich mit drei wachen, satten, grob gereinigten und irgendwie angezogenen Kindern um 8 Uhr aus dem Haus. Das heißt noch lange nicht, dass die genannten Adjektive dann auch schon alle für mich gelten. Eher nicht.
Ich brauche ungefähr eine Stunde (Hey, wir haben hier eine super ausgebaute Kinderbetreuung!!!), bis ich alle drei Kinder weggebracht habe und wieder zu Hause bin. Gerne auch länger.
Dann steht hier zu Hause das Frühstücksgeschirr noch auf dem Tisch, der Flur liegt voller Schuhe, kein Bett ist gemacht (nicht dass ich die jemals machen würde), … kurz: Das Ding mit dem Haushalt und so.
Eine gewisse Grundordnung versuche ich herzustellen, bevor ich die Kinder wieder abhole. Für dieses Minimum an Haushalt geht eine halbe Stunde bis Stunde drauf. Der Rest läuft dann später mit Kindern, erledigt der Mann oder eben ich, wenn er zu Hause ist. Ich gehe meistens auch mit den Kindern einkaufen und nicht während meiner Arbeitszeit. Trotzdem bleiben an den vier Tagen im Idealfall maximal vier Stunden für das Büro.
Diese Zeit ist rar und kostbar. Ich überlege mir sehr gut, ob ich sie für irgendwelche Freizeitaktivitäten ohne Kinder “verschwende”. Aber auch die müssten manchmal sein, sonst dreht man irgendwann durch. Also nicht man. Aber ich.
Ich brauche schließlich wieder eine Stunde, um alle einzusammeln. Dann gehört der Nachmittag entweder den schönen Dingen des Lebens mit Kindern oder dem weniger schönen Haushalt/Pflichtaufgaben mit Kindern.
Idealfall ist eine Utopie
Wenn die Kinder zu Hause sind, wird es mit dem Arbeiten kompliziert.
Selbst mit zweitem Elternteil zu Hause. Mir wäre es ja egal, wenn die Kinder in ihren Zimmern nebenan spielen würden, aber sobald ich das Büro aufsuche, folgen sie mir. Eines der Kinder muss immer nachsehen, was ich so ganz alleine da mache. Mutti kannse halt nicht alleine lassen. Würde ich auch nicht. Weiß der Geier, was die dann anstellen würde? Arbeiten?
Im Krankheitsfall ist so ein Home Office als Option super.
Kurzzeitig.
Langfristig eher nicht.
In den ersten drei Monaten diesen Jahres waren meine drei Kinder an genau drei Tagen alle drei in Betreuung. An den anderen Tagen war immer eines krank zu Hause oder gar im Krankenhaus.
Natürlich kann man zwischendurch ein paar E-Mails beantworten, wenn ein oder zwei Kinder dabei sind. Kleinigkeiten erledigen. Fleißarbeiten durchklicken. Projekte absprechen. Wenn die Gesprächspartner für leicht schizophren wirkende, parallele Diskussionen mit meinem Nachwuchs Verständnis haben (müssen sie bei mir haben), auch telefonieren.
Aber ich kann nicht einmal einen kompletten Blogpost schreiben, wenn mir währenddessen 20 Warum-Fragen gestellt werden, ich im 5-Minuten-Takt die Rotznase putzen muss, das Kind dreimal zum Klo bringe, zwei Bücher vorlesen soll, die Reifen vom Traktor wieder anbringen muss und der Puppe ihr Haargummi zurechtzupfen will. Es mag überraschen, aber auch dafür muss ich mich ein kleines bisschen konzentrieren. Es hilft zumindest, wenn ich nicht ständig im Schreibfluss unterbrochen werde.
Es ist nicht so, dass meine Kinder mich stören wollten.
Sie sind Kinder. Kleine Kinder. Wenn ich sie bitte, mich in Ruhe zu lassen oder vielleicht neben mir ruhig zu malen, dann sind sie brav still. Wirklich! Für ungefähr vier Minuten. Das ist ziemlich lange! Aber dann muss ich mir eben kurz die grüne Sonne ansehen und bitte nochmal den Kleber geben. Weitere acht Minuten später ist malen langweilig und wir könnten doch ein Buch lesen, oder Mama?
Mama müsste aber eigentlich arbeiten.
Wird sie aber an so einem Tag nicht produktiv. Da macht man Fleißarbeit und Dinge, die nicht allzu viel ungeteilte Aufmerksamkeit am Stück brauchen.
“Du hast es gut,” sagte eine andere Kindergartenmutter zu mir, “du kannst ja von zu Hause arbeiten. Das würde ja kein Arbeitgeber mitmachen!”
Ähm ja. Auftrageber machen das noch viel weniger lange mit als Arbeitgeber. Der nächste Freiberufler ist nur einen Klick weit entfernt, wenn ich mich permanent nicht Absprachen halten kann, Deadlines verschieben muss und einfach nichts gebacken bekomme.
Und so improvisiere ich vor mich hin. Diese Woche begann mit fiebrigem großen Sohn und endet mit einem Rückfall in unsere Winterzeit. Ich stelle mich schonmal auf einige Wochen Ausnahmezustand ein. Bin ich ja drin geübt.
Hallo, ich bin Kerstin.
Ich arbeite freiberuflich von zu Hause aus. Als Mutter von drei kleinen Kindern ist das super praktisch. Ich bin mein eigener Chef. Ich kann mir meine Zeit frei einteilen. Ich kann immer und überall arbeiten.
Ich spare Arbeitswege (fahre aber zwei Stunden am Tag Kinder durch die Gegend), habe deswegen total viel Zeit für den Haushalt (der ist ja gleich neben meinem Büro) und Familie über. Wenn die Kinder mal krank werden, kann ich sie ganz bequem mitbetreuen. Vom Büro aus. Im Büro. Ist ja eh zu Hause.
Ich bin Kerstin, Mutter von drei kleinen Kindern und wäre manchmal gerne Angestellte mit festen Arbeitszeiten. Egal wo. Egal in welchem Job.
Eure Kerstin
Ein paar nachgeschobene Anmerkungen:
Dies ist ein kleiner Beitrag zur Blogparade von und auf “glücklich scheitern”, wobei ich theoretisch vorhabe, noch ein paar Tipps für das Home Office zu ergänzen/nachzuschieben.
Eigentlich sollte das schon dieser Test werden. Schließlich habe ich Ahnung von Home Office… und Erfahrung… und kann total effizient von zu Hause arbeiten… und liebe es… hüstel… mich überkam aber gerade ein anderer Text. Dieser.
Geht aber gleich wieder. Ich suche fix meine positive Einstellung zu den Dingen. Also zu allem… *moment* Wir lesen uns! 😉
😂😂😂😂😂
Wie jetzt?
Deine kritzeln nach 8 Minuten nicht die Wände an/rupfen Fotoalben auseinander/schütten den Locher aus?
Man, hast Du es gut! 😂🙈
Auf dem Fußboden habe ich Kunstwerke und bisher wurde nur Babyöl ausgeschüttet, den Locher fanden sie zu öde. 😉
Wenn schon, denn schon 😂😂👌
Oh Mann 😂 Hier genau das selbe! Mir graut schon vor dem Moment an dem der Mittagsschlaf definitiv in die ewigen Jagdgründe eingeht…
Was kommt mir das alles so bekannt vor. ..
Hey, das erinnert mich doch nur zu gut an die Vergangenheit als meine Jungs ruhiger waren. Ich hatte immer mal wieder eine Tagesmutter, die eingesprungen ist, wenn die Kinder krank waren. Allerdings glaube ich trotzdem, dass Home Office als Freiberufler deutlich einfacher ist als angestellt zu sein. Ich habe beides mit Kinder durch und auch, wenn meine Kinder krank waren, könnte ich nicht immer freimachen, sondern müsste dann auch Home Office machen, soweit es eben ging. Und dann hat man schonmal gerne auch ein noch nicht richtig gesundes Kind wieder in den Kiga geschickt, weil man selber wieder arbeiten musste. Was soll ich sagen: es wird einfacher. Meine Jungs sind jetzt 13 und 11, da muss man eher schauen, dass sie sich überhaupt nochmal bei Mutti blicken lassen 😜. Viele Grüße, Simone
Ich mag ja meine Selbstständigkeit. Du hast Recht.
Es braucht nur wesentlich mehr Disziplin als ohne Kinder. Und es ist eben relativ einfach, dass man (wenn man überall und jederzeit arbeiten könnte) ständig “später dann eben” arbeitet. Das was sonst der Druck des Arbeitgebers und der festen Arbeitszeiten sind, muss man dann selbst für sich einhalten und gegenüber anderen auch einfordern.
Bin da also ganz bei dir.
ch bin ebenso mutti und arbeite wie du freiberuflich von zuhause aus als programmiererin und frag mich: was willst du uns mit diesem text sagen? dass du es ja auch irgendwie schwer hast? dass du manchmal lieber ins büro gehen möchtest aber dann irgendwie doch nicht weil ist ja schon cool von zuhause aus, keine anfahrtswege und so…äääh…aber dann nervt es bisschen wenn die kids im zimmer nebenan sind weil du dich ja grad voll konzentrieren musst um einen sinnlosen blogpost zu verfassen.
meine güte, sei froh dass du diese flexibilität hast und nicht 9-to-5 ins office oder schichten gehen musst. ich bin jeden tag dankbar dass ich mir meine zeit flexibel einteilen kann. was soll denn eine mutti machen die nicht wie wir so einfach zuhause bleiben kann wenn ihr kind krank ist? die muss wirklich improvisieren und dann oft noch das unverständnis der kollegen bzw des arbeitgebers ertragen weil sie schon wieder einen krankentag genommen hat. du hast sogar noch nen partner an deiner seite der einspringen kann, oh man, es ist immer wieder erstaunlich, wie schnell manche menschen an ihre grenzen kommen.
“Was willst du uns mit diesem Text sagen?” Ich versuche es mal mit etwas weniger verschwurbelter Ausdrucksweise, die leider oft dazwischengrätscht, wenn ich tippe.
Ich wollte sagen, dass ich Freiberuflerin bin und dass dies Freiheiten mit sich bringt wie die sehr flexiblen Arbeitszeiten und -orte. Dass aber der Himmel nicht immer voller Geigen hängt und hier den ganzen Tag rosa Einhörner pupsen.
Das Home Office ist oft eine echte Hilfe, Familie und Beruf besser miteinander zu vereinbaren. Mit Familie hat man aber auch im Home Office einige Herausforderungen zu stemmen. Ja, ich bin in den letzten Wochen/Monaten sehr oft an meine Grenzen gekommen. Das magst du erstaunlich finden, aber auch meine Kraft ist endlich.
In Sachen Job habe ich meine Frustrationstoleranz ausgereizt, körperlich hatte ich meine Grenzen zwischenzeitlich sogar weit überschritten und als Mutter war es oft mehr Leid, als ich ertragen konnte. Ich stehe dazu, dass ich nicht unendlich tragen und aushalten kann. Das finde ich auch nicht peinlich.
Hier in dem Text ging es aber gar nicht so sehr darum, dass es mir so mies geht. Es war nur die etwas flapsige Reaktion (nenne es Galgenhumor) auf die derzeitigen organisatorischen Probleme. Am Ende versteckt sich ein Hinweis, dass ich sogar noch konstruktive Beiträge nachreichen möchte.
Denn ich bin gerne Freiberuflerin, auch wenn ich manchmal neidisch auf die festen Arbeitszeiten anderer bin.
VG Kerstin
Also ich arbeite angestellt… mit Büro und Kollegen und Kunden und so… Wenn die Murmels krank sind, mag es mal einen Spruch geben, auch wenn die Kita-Schließzeiten nicht den Urlaubswünschen der Kollegen entsprechen. ABER: Wenn meine Kinder krank sind, wenn ich krank bin, dann bekomme ich trotzdem mein Gehalt – auch wenn ich im Urlaub bin.
Meine Kunden sind dann auch noch da, weil meine Kollegen sie in der Zeit mit betreut haben.
Vermutlich kriege ich auch eher Unterstützungsangebote, weil ich ja nicht den ganzen Tag zu Hause bin.
Klar, wenn ich im Stau stehe und zu spät zur Arbeit oder zur Kita komme, beneide ich Kerstin um ihre Situation.
Es hat alles seine Vor- und Nachteile. Auch als freiberufliche Mutter darf man gestresst und genervt und auch über seine Kräfte und Grenzen sein.
Scheinbar liest Du hier nicht besonders häufig, ansonsten wäre Dein Kommentar vermutlich (hoffentlich) anders (empathischer) ausgefallen.
Ich habe auch eine Weile Homeoffice gemacht und war echt froh, als ich es wieder los war. Ich weiß, wie ich einmal mit einem Kleinkind, das total grün im Gesicht angemalt war zum Elterngespräch in die Schule bin. Ich war einfach nur froh, dass dieses Kind sich selbst beschäftigte und ich arbeiten konnte. Und Gesicht ist besser als Tapete. Außerdem gab es im Büro irgendwie den Anspruch, dass ich immer erreichbar bin, weil sich die Kollegen nicht meine Homeofficezeiten merkten. Dann gab es meinen eigenen Anspruch, alles fertig zu machen und bis abends spät am Rechner zu sitzen, wenn die Kinder im Bett waren. Ohne Homeoffice blieb die Arbeit im Büro. Auch wenn sie nicht fertig war. Im Homeoffice hatte ich das Gefühl, dass ich damit das Büro ständig bei mir hatte. Als ich das Homeoffice los war, konnte ich zuhause wieder abschalten. Wenn der Chef mich überlastete, blieben Vorgänge halt liegen. Ich möchte nie wieder Homeoffice!
Super Artikel, echt. Und doch bin ich fast neidisch. Zwei Hunde, fünf Katzen – die auch teils getrennt gehalten werden müssen und ein nicht sehr für den Haushalt zu begeisternder Mann mit ständigen Auas. Hach, Home Office ist so toll. In der ein oder anderen Minute. Lg