Ìn einem Zwillingsforum, in dem ich gelegentlich rumstreuner, habe ich mal wieder die Frage aller (Eltern-)Fragen gelesen:
Wann wird es endlich einfacher?
Der Konsens der antwortenden Mütter lag irgendwo zwischen “Mit zwei oder drei Jahren” und “Wenn sie ausziehen” – man schien sich auf die Phrase “Es wird nicht besser, es wird anders” zu einigen. Nun fehlt mir selbst zu dem ersten Etappenziel “zwei bis drei Jahre” noch ein Stückchen, aber ich habe mal darüber nachgedacht, was in den letzten 14 Monaten anders, besser, schwerer oder wie auch immer wurde.
Eines vorweg: Am schwierigsten fand ich immer nicht die Phase oder Entwicklungsstufe selber, sondern den Beginn derselben. Dieser Anpassungsprozess, in dem ich noch die richtigen Wege zum Umgang mit den neuen Fähigkeiten suchen musste. Wie füttere ich Brei? Wie bekomme ich Krabbelkinder sicher die Treppe runter? Und so munter weiter…
Die Stufen selber hatten so ihre jeweils eigenen Vorteile und ganz speziellen Hürden:
2 Mini-Babys versorgen
TOP
- Gefühlte 80% des Tages verschlafen solche Minis. Man hat rein theoretisch viel Ruhe und viel Zeit. Soviel Ruhe und Zeit für mich hatte ich seither nie wieder!
- Die Bedürfnisse der Minis sind sehr überschaubar: Nahrung (zumeist in flüssiger Form zu nuckeln), Schlaf (wenn sie denn einschlafen wollen), sauberer Popo (unglaublich, wie oft das nicht der Fall sein kann!), Körpernähe (fällt leicht, da sie zuckersüß sind).
- Mit Hilfsmitteln wie Tragetuch oder Babyschale sind die Leichtgewicht spielerisch einfach zu transportieren. Sie warten auch in der Regel sehr geduldig, wenn sie nacheinander eine Strecke befördert werden müssen.
FLOP
- Sie mögen tags sehr viel schlafen, aber leider nachts nicht wesentlich mehr. Alle 2-3 Stunden muss sich das Pflegpersonal auf langwierige Fütterungsorgien einstellen, die bei zwei zarten Minis auch gerne 1,5 Stunden in Anspruch nehmen können.
- Sie sind so zerbrechlich! Man traut sich kaum sie anzufassen, geschweige denn so etwas kostbares zu tragen! Ganz sicher kann man nicht zwei von diesen zarten Engelchen gleichzeitig transportieren ohne Hilfsmittel.
2 Minis werden munter
TOP
- Sie werden immer niedlicher! “Schau, er versucht das Mobile zu greifen.” “Och herzallerliebst, wie sie ihre Hand bewundert.”
- Es kommt erstes Feedback in Form eines warmen Lächelns, das auf übermüdete Eltern wie eine Nase Schnee wirkt.
FLOP
- So langsam muss Entertainment geboten werden. Also ganz viel Gutschidutschi, butschidu, Rappelhäschen, Kuschelmäuschen.
- Unzufriedenheit wird wesentlich deutlicher mitgeteilt und ist nicht immer nur auf die zentralen Faktoren Nahrung, Schlaf, Popo zurückzuführen.
- Mitunter ist alles andere deutlich spannender als Mamas Brust oder die Flasche und es wird zu einer Herausforderung, gleich beide Minis an der Nahrungsquelle zu halten.
- Die Geduld, wenn man auf irgendwas warten muss, nimmt deutlich ab. Das Pflegepersonal ist also angehalten, den wartenden Zwilling während der Versorgung des anderen zu unterhalten.
2 Zwerge haben Hunger
TOP
- An der Erweiterung des Nahrungsangebots abseits der Milch kann ich im frühen Stadium keinerlei Erleichterungsaspekte für das Pflegepersonal feststellen. Gegebenenfalls könnte man den nun deutlich struktuierteren (damit vorhersehbaren) Tagesablauf anführen, der sich nun zwangsweise einpendeln dürfte.
FLOP
- Schutzkleidung wird zum zentralen Thema: Für Fütternden und Gefütterte. Die Zwerge schaffen es garantiert trotzdem alles und jeden im Umkreis von grob geschätzt 5m gründlich einzusauen.
- Der Geduldsfaden muss ellenlang sein, wenn man in jeden Mund ein paar Löffel reinbekommen möchte.
- Die Nahrungszubereitung wird ungleich aufwendiger. Das Mitführen derselben in der Wickeltasche ebenso.
2 Zwerge werden mobil
TOP
- Es ist eine unglaublich spannende Zeit für alle Beteiligten. Es gibt so wahnsinnig viel zu entdecken!
- Endlich können sich die Zwerge zum gewünschten Objekt hinbewegen und müssen nicht jammernd das Pflegepersonal um Hilfe ersuchen. Zufriedenheit macht sich breit.
- Die Zwerge sind nun deutlich griffiger, weniger zerbrechlich und können Dank ausreichender Körperspannung deutlich einfacher gleichzeitig getragen werden.
- Die Schlafphasen nachts werden hoffentlich nun deutlich länger sein.
FLOP
- Die Zwerge haben erstmals eine effektive Methode sich zu wehren, wenn sie mit der vom Pflegepersonal angeordneten Maßnahme – nehmen wir hier als Beispiel das Wickeln – nicht einverstanden sind. Sich windende Zwerge sind mitunter deutlich mühsamer zu wickeln als die zarten Minis aus den ersten Wochen.
- Die elterliche Wohnung wird auf einmal zu einer unermesslichen Ansammlung potentieller Gefahrenquellen. Nichts ist mehr sicher und von Woche zu Woche wandert mehr Dekoratives auf/in den Schrank oder direkt in den Mülleimer.
- Mobile Zwerge kann man nicht einfach irgendwo wartend hinlegen, während man den einen Zwilling versorgt/transportiert. Das stellt gerade bei der Überwindung von Treppenhäusern eine ganz neue Herausforderung dar.
- Aller Wahrscheinlichkeit nach haben die Kinder jetzt die Gewichtsklasse “Mama bricht bald zusammen” erreicht und es wird zum Leistungssport zwei Babyschalen gleichzeitig zu tragen.
Aus 2 Babys werden Kleinkinder
Herzlichen Glückwunsch!
Ihre Zwillinge können nun laufen, essen vermutlich weitestgehend die berühmte Familienkost und beginnen offensiv zu kommunizieren.
TOP
- Laufende Kinder muss man nicht mehr ständig tragen.
- Endlich muss die Wickeltasche keine Marschverpflegung für eine ganze Kompanie mehr fassen. Notfalls kann unterwegs schnell ein Brötchen oder ähnliches als Zwischenmahlzeit dienen.
- Die Kinder teilen sich endlich auch für eher ungeübte Eltern deutlich mit. Sie zeigen auf Gewünschtes und beginnen erste Zielobjekte sogar mit Worten anzufordern. Das erleichtert das Erfüllen der Wünsche und erhöht theoretisch die Zufriedenheit aller.
- Spätestens jetzt wird sich wahrscheinlich der Vorteil eines mitgelieferten Spielgefährten für die Zwillingseltern auszahlen, die sich nun beim Entertainment zurückhalten können.
- Rein theoretisch reicht das passive Sprachverständnis nun völlig aus, um Anweisungen zu befolgen wie “Holst du bitte schon mal deine Schuhe. Wir gehen gleich auf den Spielplatz.” In der Praxis gehört dazu dann auch ein Verstehen-Wollen.
FLOP
- Zwei laufende Kinder laufen grundsätzlich in zwei verschiedene Richtungen.
- Das von den Kindern als gewünscht angeforderte Objekt ist mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit ein Objekt, dass die Kinder garantiert nicht haben dürfen. Die daraus resultierende Meinungsverschiedenheit kann ungemütlich werden.
- Wer klettert und tobt oder gar mit seinem Zwilling Fangen spielt und rauft, der fällt gerne hin, stößt sich oder haut sich die Knie/Stirn auf. Blessuren und die zwangsläufig kurzzeitig daraus resultierende Unzufriedenheit sind vorprogrammiert.
Wann wird es denn nun endlich einfacher?
Es ist schon deutlich einfacher geworden, aber ich freue mich auf die Zeit, wenn sie so richtig sprechen können. Zwar kann der Sonnenschein schon ziemlich viele Worte und die Prinzessin gestikuliert ausdrucksstark, trotzdem bleibt bei Unzufriedenheit oft eine ratlose Mama zurück. Hat Sonnenschein vielleicht gerade Zahnweh?
Es muss doch soviel leichter sein, wenn sie es einem sagen können. Auch mit einem “Ich finde alles gerade doof.” kann man ja theoretisch was anfangen und Vorschläge für alternatives Unterhaltungsprogramm unterbreiten. Ich wüsste dann zumindest, dass ich Hunger oder Schmerzen ausschließen kann.
Und wie kann jetzt jemand die Frage beantworten? Wann wurde es bei euch wirklich einfacher?