“Boah Kerstin! Du bist echt hart!” So begrüßt heute in der lokalen Kinderarzt-Praxis von einer flüchtigen Bekannten. Hmmm… echt? Bin ich das?
Ok, heute galt der Ausspruch wohl meinem dezenten Bauch, den ich hinter den Zwillingen in das Wartezimmer geschoben habe. Aber ich erinnere mich, dass wir uns schon einmal beim Kinderarzt trafen – vor vielleicht einem guten Jahr?!
Damals waren die Zwillinge noch Säuglinge und noch lange kein Jahr alt, ich trug 2 MaxiCosi und die Wickeltasche* und war allein mit ihnen beim Kinderarzt. Aus meiner Perspektive war das damals (wie heute) eine schlichte Notwendigkeit, die dann eben so ist und fertig, klappt schon. Muss ja. Aus ihrer Perspektive schien es eine kleine Heldentat zu sein. Ist es nicht, liebe Einlings-Mama. 😉 Zwillingseltern können das. Sie müssen es und sie schaffen es.
Deswegen heute aus aktuellem Anlass endlich:
Der Kinderarzt, das Doppelpack & ich
Kinder brauchen gar nicht krank zu werden, um besonders im ersten Jahr regelmäßig den Onkel Doktor zu sehen. Da stehen gefühlt alle paar Wochen U-Untersuchungen und in der Zwischenzeit zahlreiche Impfungen an. Später kommen die ersten Infekte, spätestens mit dem KiTa-Besuch auch häufiger und natürlich diverse kleinere und größere Unfälle unternehmungslustiger Kleinkinder. Arztbesuche gehören ganz schnell zur Eltern-Routine.
Eltern von Säuglingen laufen meist selbst bei Einlingen zu den ersten Terminen noch gemeinschaftlich auf. Da hat man noch Elternzeit und das Interesse ist groß. Zwillingseltern haben noch eine ganz andere Motivation, denn so ein Arztbesuch mit gleich zwei Babys bedeutet ganz spezielle Herausforderungen:
- Die Praxis muss erreicht werden. Dazu gehört eben auch, dass man zwei Säuglinge vom Auto in das Wartezimmer und später dann das Behandlungszimmer schafft. Nicht immer kann man mit dem Kinderwagen direkt vorfahren oder das Auto bequem in der Nähe parken.
- Eine unter Umständen lange Wartezeit muss überbrückt werden. Das sollte in gut organisierten Praxen zumindest bei längerfristig geplanten Terminen nicht der Fall sein, aber es gibt in jeder Praxis immer mal Notfälle und Chaos. Das gehört zum Alltag einer Kinderarztpraxis und dann hängt man dort… mit irgendwann hungrigen oder müden Zwillingen, von denen ein oder zwei Kandidaten gerade die Hose voll haben.
- Die Kinder muss aus und später wieder angezogen werden – je nach Jahreszeit ein wahrlich zeitaufwändiges Vergnügen hoch zwei.
- Die Kinder müssen untersucht werden – nacheinander. Das bedeutet nicht nur, dass man das Kind gegebenenfalls halten oder beruhigen muss. Im Idealfall kann man auch dem Kinderarzt die volle Aufmerksamkeit schenken und seiner Diagnose zuhören.
- Der Zuschauer will unterhalten werden. Bei Zwillingen ist logischerweise immer gerade ein Kind das untersuchte und ein anderes liegt einfach daneben. Das kann ein gut gelauntes zweites Baby sein, muss aber nicht. Vor allem muss es sicher platziert sein, dass ihm in der Zwischenzeit nichts passiert.
- Es muss Trost gespendet und Mut zugesprochen werden. Nicht jede Untersuchung ist ein “Kinderspiel” und manches ist eben auch echt doof. So eine Spritze zum Beispiel. Da will man auf den Arm und getröstet werden!
Und wie schafft man das als Zwillings-Eltern? Ehrlich gesagt: im Idealfall zu zweit.
Keine Unterzahl der Erwachsenen aufkommen lassen. Die ersten drei Monate waren wir zu zweit in Elternzeit, da war das keine Frage. Später dann wurde flexibel organisiert. Für U-Untersuchungen nimmt der Zwillingspapa sich frei. Bei anderen Arztterminen kam eine Oma oder die Schwägerin mit. Sind die Termine geplant und haben etwas Vorlauf, dann ist das bei uns kein großes Problem.
Alle Tipps und Tricks rund um das Thema
“Unterwegs mit Doppelpack” findet ihr auch
in meiner Beitragsserie zum ersten Jahr mit Zwillingen.
Aber das Glück hat nicht jeder und auch ich bin im ersten Jahr ziemlich oft allein mit beiden beim Arzt gewesen. Einfach weil es spontan sein musste. Dabei sind spontane Arztbesuche noch aus zwei anderen Gründen die blödesten: Erstens ist der Anlass mit hoher Wahrscheinlichkeit ein krankes Kind (oder zwei) und kranke Kinder brauchen mehr Trost/Arm/Kuscheln/Zuwendung als gesunde. Und zweitens muss man bei solch kurzfristigen Stelldicheins meist ziemlich lange vor Ort sich die Zeit vertreiben, weil man schlicht nicht eingeplant war.
Allein mit Zwillingen zum Kinderarzt
Man wächst ja bekanntlich mit seinen Aufgaben und für Zwillingseltern ist es sehr schnell nach der Geburt einfach Alltag, dass sie auch alleine zwei Babys versorgen müssen. Da wächst man rein. So sind auch die Arztbesuche keine Zauberei. Es schadet nicht, wenn man dabei etwas organisierter ist und die Räumlichkeiten sowie das Personal der Praxis tragen auch einen Teil zum friedlichen Ablauf der Aktion Teil. Bei uns dreien – dem Sonnenschein, der Prinzessin und meiner Wenigkeit lief das in der Regel so ab:
Die ersten Monate
Solange die Zwillinge noch nicht sitzen konnten, kamen wir immer in den Autoschalen in die Praxis. Mit dem Kinderwagen kann man in unserem Fall problemlos bis in die Praxis vorfahren. Dort blieb das Gestell im Eingangsbereich stehen und die Autoschalen kamen mit ins Wartezimmer. Dort saß ich dann mit den Füßen auf beiden Seiten die Babyschalen wippend und schlug die Zeit tot. Während der Untersuchung der Zwerge hatten die Schalen den Vorteil, dass man die Zwillinge immer sicher ablegen konnte. Kamen wir ins Untersuchungszimmer zog ich erst den einen aus und legte ihn nur in Windel bekleidet wieder zurück in seine Schale (angeschnallt!) und dann den zweiten. Genauso verlief dann die Untersuchung und natürlich auch die Aktion “Ankleiden”. Einer nach dem anderen – der Zuschauer bequem und sicher in seiner Schale.
Das zweite halbe Jahr
Ich hätte auch, nachdem der Bugaboo schon auf Sportsitze umgerüstet war, weiterhin die Arztbesuche mit Autoschalen absolvieren können; habe ich aber nicht. Aus zwei Gründen: Erstens werden die Dinger (bzw der Inhalt) immer schwerer zu tragen und zweites hatte ich dann auch bald die Schulter gebrochen und konnte nicht mehr tragen. Die Babyschalen blieben bei uns also im Auto, der Kinderwagen kam mit. Und der blieb dann nicht mehr vorne im Eingangsbereich stehen, sondern kam wirklich mit – bis ins Untersuchungszimmer.
Wir haben das Glück, dass die Kinderarzt-Praxis sehr großzügige Räumlichkeiten hat und haben das ausgenutzt. Das Spielchen lief im Prinzip genauso ab wie mit den Autoschalen. Der Zuschauer wurde nun eben im Buggy angeschnallt statt im MaxiCosi.
Freistil mit Einjährigen
Als die beiden laufen konnten, wurde es eine kurze Zeit lang etwas schwieriger. Irgendwann blieben sie nicht mehr im Kinderwagen sitzen. Das Gebrüll, wenn ich sie dazu genötigt hätte, hätte niemand aushalten mögen. Ich am wenigsten. Also tapsten sie umher im Wartezimmer, auf dem Flur, im Untersuchungszimmer. Und für mich gab es keine bequeme Zuschauerlösung mehr. 🙁
Aber die anstrengende Phase ging sehr schnell vorbei. Heute mit eindreiviertel Jahren verstehen sie schon so wahnsinnig viel und so haben wir auch den aktuellen Impftermin ziemlich gelassen absolviert. Sonnenschein hat das Wartezimmer erheitert, weil er alle 30 Sekunden halb entkleidet aus dem Untersuchungszimmer gestürmt ist, um den Flur als Rennbahn zu missbrauchen, Prinzessin wackelte hinterher und die kugelige Mama erntete die Lacher. Passt doch! 😉
Und in all diesen Lebensphasen galt:
Warten, warten und vielleicht noch länger warten nervt. Zwei kleine Kinder ausziehen und wieder anziehen ist nur lustig, wenn man gerade in der Phase “begeisterte Puppenmutti” ist. Es gibt unendlich viele Dinge, die mehr Spaß machen als ein Besuch beim Kinderarzt.
Und: Klar gab es Gequäke und auch Gebrüll. Auch bei uns. Nicht immer. Aber manche Arztbesuche sind anstrengend, dass man direkt danach nur noch mit einem großen Becher Eis in die Badewanne will. Gerade die Prinzessin hat mit wenigen Monaten angefangen den Arzt konsequent niederzubrüllen und diese Angewohnheit erst vor wenigen Wochen abgelegt. Trotzdem hat es geklappt. Ich habe jeden einzelnen Arztbesuch überlebt und am Ende war es dann doch nicht so fies. Zu einer Begleitung sage ich aber niemals Nein. 😉
Der eigentlich Zaubertrick, wenn man alleine zum Kinderarzt muss mit dem Doppelpack, ist schlicht: Nerven und Humor bewahren. Man kann es halt nicht ändern und auch dieser Arzttermin, dieser Tag wird irgendwann geschafft sein. Je gelassener man im Idealfall bleibt, desto ruhiger läuft der Termin ab. Im schlimmsten Fall hilft Schokolade. Für Mama. Bei uns dann heute, weil alles so super lief, auch für die Zwillinge ein kleines Stückchen!
Update: Mittlerweile bin ich diesen Winter auch um zahlreiche Erfahrungen der Variante Mit-3-Kindern-Zum-Arzt reicher. 😉 Auch das lässt sich überleben. Obwohl wir für einige Aufmerksamkeit sorgten, als wir eines Montagsmorgens mit unserem Donkey für 3 in die überfüllte Praxis rollten und die Zwillinge lauthals “jetzt gehts los!” gröhlten. Ich hatte schlicht morgens beschlossen, dass es mit Galgen-Humor vermutlich besser ginge. Wir haben die 3 Stunden Praxis überlebt. Alle anderen Patienten und das Personal laut meines Wissenstands auch. Und wenn, dann waren nicht wir daran schuld.
Eure Kerstin
Und wie sieht das bei euch aus? Geht ihr allein zum Arzt oder grundsätzlich nur mit Begleitung?
Wir habt ihr das für euch organisatorisch geregelt? Ich freue mich auf zahlreiche Tipps!
P.S.: Ich habe ganz unfeministisch im Beitrag nur die maskuline Form des studierten Mediziners aus dem Fachbereich Kinderheilkunde gewählt. Natürlich könnte es auch eine Ärztin sein und die Geschichte verliefe genauso. In unserem Fall ist es zufällig ein Mann und ich bin kein Fan der umständlichen, aber politisch korrekten Schreiberei. Man möge es mir verzeihen.
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