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Die scheinheiligen Kühe der digitalen Mamis – Eine Anfängerin rastet/rantet aus

Mir fehlt für diesen Text die Einleitung. Aber braucht ein Rant* eine Einleitung? Mir fällt keine ein.

Ich hätte anfangen können, dass ich viele Mamas kennengelernt habe, seit ich vor zwei Jahren selber Mama wurde. Dass ich viele Mama-Blogs kennenlernte, seit ich vor einem Jahr anfing zu bloggen. Dass mir irgendwann zwischen der realen Mama-Welt (meinem eigenen sozialen Umfeld) und dem virtuellen Mama-(Blogger-)Clan eine eklatante Diskrepanz auffiel.

Aber einer solchen Einleitung fehlt der Schwung. Sie nimmt den Leser nicht mit. Also lass ich es.

Noch jemand da, der mitliest?

Ich hätte ja auch feststellen können, dass eines der ersten unter den vielen neuen Worten, die ich in dieser virtuellen Welt kennenlernte, der Begriff der Mommywars** gewesen sei.

Und dass ich damals schon irritiert war, dass mir dieses Phänomen der sich gegenseitig kritisierenden und abwertenden Mütter bisher entgangen war. Ich forschte nach Ursachen und überlegte, ob ich vielleicht selbst eine reine Täterin bin, die sich genau deswegen nie als Opfer dieser Dauer-Kritik fühlte. Aber ich fand mich selbst damals nicht sonderlich überzeugend in meiner Argumentation.

War mir aber auch egal, denn ich habs dann wieder vergessen und lebte weiter in meiner ganz realen Mama-Welt zwischen all den realen Mamas. Ich schrieb im Netz hier und da ein paar meiner Zwillingsmama-Geschichten zwischen all den Mama-Bloggerinnen. Ich las täglich witzige Anekdoten, kluge Ratschläge, einfühlsame Beiträge und giftige Angriffe. Ups. Ja. Tatsächlich.

Ich hab echt keine Ahnung, wann der Groschen fiel. War es als ich irgendwann keinen Nerv mehr hatte, die Twitter-App zu öffnen, weil mir überall nur Empörung entgegen schlug? War es, als auf Facebook die ganzen Mami-Themen in sekundäre Listen geschoben wurden, weil der ständig mahnend erhobene Zeigefinger im Auge piekste? War es, als ich meinen Feed-Reader nahezu gegen 0 ausmistete, weil ich total angepisst war von diesem Perfektionswahn und der scheinheiligen Toleranz?

Ich hatte sowas von kein Bock mehr den Scheiß zu lesen!

Ehrlich gesagt ist es mir ansich extrem egal, ob du dein Grundschulkind noch stillst und deinen Säugling respektvoll windelfrei über die Toilette hälst, solange du das nicht auch von mir verlangst. Du kannst super gerne dein Kind mit handgeschnitzten Bio-Pastinaken an die feste Nahrung heranführend, veganen Hirsebrei kochen oder gemeinsam mit der gesamten Familie in einem Bett schlafen. Das ist völlig ok, aber verlang es bitte nicht von anderen.

Nein, das würdest du ja nie tun. Du bist tolerant. Du hebst nur kurz deine virtuelle Augenbraue und lächelst dann nachsichtig.

Es gibt Hashtags für schicke Fotos beim öffentlichen Stillen*** und Stillen ist sowieso das Beste. Da schreien sogar die klassischen Medien mit im gleichen Chor: Die Mama von heute sollte stillen. Das ist gesund! Das ist das Beste Ja, weiß ich auch. Aber muss man das so aufgesetzt vor sich hertragen? Muss man dabei so einen Druck aufbauen und die ganze Geschichte dermaßen aufblasen, dass sich kaum eine Frau öffentlich traut, zum NICHT-Stillen zu stehen? Dieser ganze Trara, dass man fast meint, es grenze an Körperverletzung, wenn man nicht (oder zu kurz) stillen würde.

Möglicherweise übertreibe ich damit gerade, aber das Ranten ist mir auch nach einem Jahr (Eltern)bloggen noch fremd und ich muss mich da noch einfinden.

Ich habe meine Zwillinge gestillt. Völlig unbelastet von diesem ganzen Kram, den ich im letzten Jahr hier (im Netz) gelesen habe. Ich wollte es einfach und es klappte. Ich habe aber auch schon geschrieben, dass ich es nicht mehr lange versucht hätte. Dann hätte es eben nicht geklappt. Ich habe deswegen aber keinen Grund gesehen, mich zu schämen. Der Skandal: Ich hätte nicht einmal abgepumpt, denn die Pumperei habe ich als puren Stress und maximal entwürdigend gefunden. Ich würde das aber nie als selbstverständlich oder gar den einzig gehbaren Weg ansehen. Hat mir hier auch niemand so vermittelt in meinem heimischen Umfeld.

Warum wird medial da so ein Druck aufgebaut? Warum wird Stillen als der einzige wirklich gute Weg glorifiziert? Warum übertreibt man dabei so extrem, dass normale Frauen, die auf ganz normale Stillprobleme treffen, mit denen sie nie gerechnet hätten, sich gleich als Versagerinnen fühlen müssen? Es klappt eben nicht immer bei jeder. Es tut auch ehrlich gesagt manchmal schweineweh. Und es kann noch soviel Stillberatung geben, bei manchen will es einfach nie wie selbstverständlich funktionieren. Und das liegt dann nicht daran, dass sie es nicht doll genug wollten und nicht oft genug versucht hätten.

Bei uns funktionierte es irgendwann ganz gut. Oder sagen wir: Es funktionierte halt. Aber entspannend oder gar schön fand ich diese eine Stunde mit freiem Oberkörper an jeder Brust einen Säugling nie sonderlich. Und das ist eben auch eine Wahrheit. Genauso wahr wie die positiven Stillerlebnisse der langzeitstillenden Mutter sind, die ich ihr von Herzen gönne. Genauso wahr wie die negativen Stillerfahrungen, der eine andere Mama dann mit Milchpulver entledigt, ohne dafür Verachtung ernten zu müssen.

Es gibt soviele heilige Kühe in dem medial vermittelten Bild der perfekten Säuglings- und Kleinkind-Erziehung, dass man sich quasi dauerhaft schreibend auf einem Minenfeld bewegt, wenn man sich mit diesen Themen befasst. (Tue ich möglichst nicht. Ich stehe dazu, dass ich davon überhaupt keine Ahnung habe.) Da wäre das große Thema der Ernährung abgesehen vom Voll- und Langzeitstillen wie zB die Beikost, die idealerweise mit Fingern fassbar sein sollte. Da gibt es das große Thema Familienbett und die Windeln erst! Öko bitte! Oder besser gar keine? Babys trägt man übrigens, aber bitte im wissenschaftlich korrekt gebundenen Tragetuch. Die einen schießen mit Zuckerkügelchen auf Viren, die anderen schwören auf Salze unterm Pendel. Die Impf-Debatte fällt dann schon in den Bereich des Extremismus.

ARGH!!!

Nein, ihr erhebt ja gar nicht den Anspruch, dass es alle so machen müssten wie ihr. Ihr gebt nur gute Ratschläge… jaja… Und jede zweite Woche braust durch meine Twitter-Timeline ein mittelschwerer Orkan, weil irgendjemand irgendwas geschrieben hat, dass nicht so ganz in dieses perfekte Bild passt. Da werden die ganzen super toleranten, extrem einfühlsamen, perfekten Mamas zu wütenden kleinen Rächerinnen der Kinderseelen und empören sich lautstark, dass irgendjemand irgendwas so ganz anders meinte als sie. Es tut mir leid, aber diese Dauer-Epörung nervt. Da mag hier und da ein Einzelfall echt gerechtfertig sein, aber aber erstens gibt es bei vielen dieser Themen durchaus mehr als einen richtigen Weg. Selbst wenn ein Weg mal falsch ist, führen auch Umwege zum Ziel. Und zweitens muss man nicht immer gleich in die Kette springen, wenn jemand vor einem den Hampelmann macht. Vielleicht wollte der genau das von euch?

Diese dauerhafte Empörungsmodus ist leider genauso ein Teil der allgemeinen Netzkommunikation wie die zwangsläufig dazu gehörenden sprachlichen Ausrutscher im Laufe dieser Debatten. Der digitale Mensch ist bissig. Am Ende habe ich gelernt, dass die Mamas in den ganzen Mütterforen und die bloggenden Eltern nicht anders ticken als der Hardcore-Gamer oder Technik-Freak: Da ist zunächst die eigene, unverrückbare Meinung, die selbstbewusst vertreten wird und dann die unmögliche Sichtweise des anderen. Graubereiche und Nachsicht sind nicht vorgesehen.

Mommywars sind nur ein Multiplayer-Online-Game. Eine Freizeitbeschäftigung des Online-Eltern-Clans, die weit weg ist von der Realität der Mütter zu Hause, die für einander weit mehr Verständnis aufbringen, als in der schreibenden Theorie vorstellbar scheint.

Nun fehlt mir auch noch ein Schlusssatz und mir ist nicht ganz klar, was ich mit dem Beitrag bezwecken wollte. Die Ausdrucksweise ist passagenweise fragwürdig, die Intention sowieso. Aber vermutlich muss das beim Ranten so sein. Das Ventil wurde geöffnet, einmal schriftlich ausgetobt und nun ist gut.

Habt euch lieb! Ich hab euch sowieso alle lieb! Bussi!

Kerstin

Mini-Glossar

* Rant meint so krass biestige Texte voller Wut und scharfer Worte im Netz. Meist rantet ein Blogger rum. Und wenn ein Blogger so richtig rumtantet, dann schreibt er schnell und wütend seine Meinung zu einer unerhörten Begebenheit und lässt das Ganze nahezu unredigiert auf Öffentlichkeit los. Wichtig beim Ranten ist, dass man auf gar keinen Fall warten darf, bis die eigene Wut verraucht ist. Man muss sofort und unverzüglich ganz intuitiv ausrasten.

** Mommwars meint so ne Art Mami-Krieg, bei dem jede Mami die bessere Mami sein will und allen anderen Mamas erzählt, dass sie alles falsch machen. Wenn die anderen es nicht falsch machen, dann machen sie es zumindest nicht ganz so gut, nicht ganz richtig, eben nicht perfekt. Es ist ein Krieg, der ohne Waffen aus der Rüstungsindustrie auskommt. Gleichwohl wird scharf geschossen mit spitzer Zunge und fiesen Blicken.

***#Brelfie heißt es. Das sind Selfies mit Kind an der Brust. Das Foto, das die stillende Mutter beim Stillen von sich selbst macht. Darf sie auch total gerne machen, wenn sie Brelfies mag. Ziel dieser Aktion soll sowas wie eine gesteigerte Akzeptanz des öffentlichen Stillens sein.

Links mit mal mehr und mal weniger sinnvollem Zusammenhang zu diesem Text

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