Wie erkläre ich meinen Murmels die Welt?

Ich weiß gar nicht, wie oder wo ich anfangen soll. Eigentlich ist es Kerstin, die hier über Alltagsbegebenheiten schreibt. Sie beschreibt diese in ihrer herrlich erheiternden Art… Heute habe ich eine Begebenheit aus unserem Alltag für Euch – nur ist sie nicht erheiternd oder amüsant.

Aufgrund der aktuellen Lage in unserem Land und auf der Welt, achte ich darauf, dass die Murmels wenig an Nachrichten mitbekommen. Vielleicht ist es falsch, vielleicht auch nicht. Zum einen möchte ich die Murmels beschützen, zum anderen möchte ich auch mich schützen… Ich weiß nicht, wie ich das alles Dreijährigen erklären soll – gerade weil es mich fassungslos, wütend und maßlos traurig macht. Ich kann es selber nicht verstehen.

Vor allen Dingen kann ich sie aber nicht beschützen.

Der Nasenbär traf vergangene Tage beim Fahrrad fahren eine liebe Nachbarin. Normalerweise ist sie immer mehrmals täglich mit ihrem Hund an unserem Garten vorbei gekommen. Seit ihr Hund vor ca. zwei Wochen gestorben ist, sehen wir sie kaum noch.

Er fragte sie dann auch prompt, wo denn ihr Hund sei. Sie wusste nicht so recht was sie sagen sollte, da sie nicht wusste, ob der Tod bei uns schon mal Thema war. Sie erklärte ihm dann, dass der Hund sehr krank war und nun im Himmel ist.

Der Tod ist uns schon ab und an begegnet. Sie wissen, dass meine Schwester gestorben und nun im Himmel ist. Sie wissen auch, dass der Hase der Besten im Himmel ist. Bislang hatte ihnen das als Erklärung ausgereicht.

Jetzt nicht mehr! Wie kommt man in den Himmel? Wie kommt man da wieder raus? Ist das schlimm? Tut das weh?

Jede Erklärung zog neue Fragen hinter sich her…

Ich erklärte den Murmels, dass jeder irgendwann sterben muss. Oft ist bei uns Alter oder Krankheit die Ursache. Wenn man stirbt, kommt der Körper in die Erde. Herz und Seele – Liebe und Gedanken – kommen dann in den Himmel. Aus dem Himmel kann man nicht mehr wieder zurückkommen. Für die die hier bleiben ist das oft sehr sehr traurig, weil wir die Menschen und Tiere, die uns verlassen natürlich doll vermissen. Mich macht es noch immer traurig, dass ich meine Schwester nicht mehr sehen und sprechen kann. Aber so lange wir an unsere Lieben denken, sind sie nie ganz weg.

Ich muss gestehen, mich hat das tierisch überfordert.

Natürlich geht auch das Flüchtlingsthema nicht komplett an ihnen vorbei. Sie bekommen mit, dass wir Anziehsachen und Spielzeug spenden. Geld spielt da noch keine Rolle bzw. das bekommen sie nicht mit. Sie wollten vergangenes Wochenende wissen, was auf dem „Refugees welcome!“ Laken stand.

Wenn sie mich fragen, bekommen sie natürlich auch Antworten von mir.

Ich erkläre ihnen, dass es viele Menschen gibt, denen es nicht so gut geht wie uns. Menschen, die sich nicht wie wir einfach Essen, Trinken, Anzieh- und Spielsachen kaufen können. Menschen, die ihre Heimat verlassen, um sich hier bei uns ein neues Leben aufzubauen. Menschen, die wir willkommen heißen und denen wir helfen wollen und müssen.

Von Flucht, Gefahr, Tod, brennenden Asylunterkünften erzähle ich nichts. Nachrichten sind auf die kinderfreien Arbeits- und Abendstunden begrenzt.

Es gibt im Moment so vieles, was ich ihnen erklären muss… So vieles, von dem ich denke, dass sie noch viel zu klein sind. Sie müssen von dem ganzen Elend der Welt noch nicht wissen. Muss ich ihnen jetzt schon die Welt erklären? Was soll ich machen, wenn sie Fragen stellen? Ich will die Fragen nicht ignorieren und ich will sie auch nicht belügen…

Ich bin seit 3,5 Jahren Mama und habe mich noch nie so überfordert gefühlt.

Eigentlich möchte ich meine Murmels nur festhalten und beschützen.

Wie viel ist ok bzw. was ist zu viel? Wie geht ihr damit um? Es wäre schön, wenn Ihre Eure Gedanken und/oder Erfahrungen dazu mit mir teilen würdet.

Ich danke Euch!

Liebe Grüße

Tanja

Mein Name ist Tanja. Ich bin Mama eines wunderbaren Zwillingspaares - meine Murmels. Auf Twitter findet Ihr mich unter @Murmelmum und hier im Blog hat die liebe Kerstin mir ein kleines Dauergast-Apartment eingerichtet :-)

3 comments

  1. Habe ich gerade hier auch mit unserem gleichaltrigen Einling. Mir macht es nicht aus, dass er jetzt lernt, dass es anderen Menschen schlechter geht – den meisten. Diesen Teil versuche ich deutlich zu erklären und begreifbar zu machen. Auch, dass Flüchtlinge so heißen, weil sie flüchten. Weil es ihnen zuhause nicht gut geht, dort böse Menschen wohnen und es ihnen an allem mangelt. Ich glaube das begreift er gut. Den \”Bösen\” kennt man ja sonst auch schon aus Märchen usw. Die Frage nach dem Tod kam bei uns noch nicht so explizit, aber auch da lege ich eine kindliche Wahrheit auf den Tisch und gebe zu, dass man nicht wieder kommt. Tot schießen spielen, finde ich nämlich gar nicht lustig. Auch nicht das Würgen der kleinen Zwillungsbrüder oder klettern am offenen Fenster. Ich schlage mich also auch so durch, aber denke, dass das Alter für ein erstes Verständnis gut passt.

  2. Ich kenne diese Fragen auch von meiner 3,5 jährigen Tochter…als wir letzte Woche ein paar Spenden zusammenstellten. Ich versuche ihr dann auch zu erklären, dass es Menschen gibt, denen es nicht so gut geht und die nichts haben. Und da wir mehr als genug hoben können wir etwas abgeben.

    Aber zu sehr ins Detail gehe ich noch nicht. Aber ich bin ehrlich wenn sie fragt. Natürlich würde ich gern alles Leid, Elend und schlechte von ihr fernhalten. Aber ich glaube das hilft ihr nicht. Denn sie muss ja lernen, dass das Leben eben nicht nur Positiv sein kann und das es auch Böses gibt. Und ich glaube Kinder können das gut differenzieren. Und auch lernen damit umzugehen, wenn man sie behutsam heranführt…
    Liebe Grüße, Anna

  3. Das ist eine echt schwere Frage. Ich habe da auch noch keine Idee wie man das wirklich erklären kann. Und ich denke über Krieg und co sollten die kleinen auch noch nichts wissen. Nicht das sie Angst bekommen oder so.

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