Ein paar total subjektive Gedanken zur Familienarbeitszeit aus dem chaotischen Kopf einer übermüdeten Mama dreier kleiner Kinder:
Manuela Schwesig schlägt eine Familienarbeitszeit vor. Die Idee ist nicht ganz neu, aber diese Woche hat die Ministerin ihren Vorschlag erneut ins Gespräch gebracht. Paare bei denen beide Elternteile vollzeitnah – im Gespräch sind 28 bis 36 Wochenstunden – arbeiten, sollen bis zu 300 Euro Familiengeld vom Staat erhalten. Auch Alleinerziehende und – oh Wunder – Selbstständige sollen davon profitieren können. Wie das so bei politischen Ideen ist, handelt es sich erst einmal um ein grobes Konzept, um einen Vorschlag. Und so sind die Details noch recht diffus, aber mir zuckte sofort durch den Kopf:
Richtig so! Warum?
In Deutschland ist es nachwievor so, dass die Arbeit in der und für die Familie und der Broterwerb zwischen den Geschlechtern ungleich verteilt ist. Sehr ungleich. Wenn aus Frauen Mütter geworden sind, nehmen sie meist eine Auszeit und arbeiten im Anschluss deutlich weniger als zuvor. Irgendwer muss sich ja um die Kinder kümmern. Auf das volle Gehalt des Mannes, der oftmals mehr verdient, kann nicht verzichtet werden. Wer Auszeiten nimmt und Stunden massiv reduziert, der hat Probleme weiterhin gute Stellen zu bekommen, man ist nicht mehr flexibel genug und sowas wie Karriere wird schwierig. Gewollt oder ungewollt hat sich das mit dem Aufstieg erledigt, wenn kleine Kinder im Haus sind. Die Schere zwischen dem Einkommen der Väter und Mütter geht also weiter auseinander und das Ende vom Lied ist eine mickrige Rente.
Das klassische Rollenmodell
Wir leben aktuell die klassische Rollenverteilung und dass nicht unbedingt, weil wir es immer schon so wollten. Der Vater meiner drei Kinder, mein Ehemann, würde genauso den Job mit Haushalt und Kindern schmeißen wollen. Aber das erledige seit drei Jahren zum größten Teil ich. Ich bin zu Hause. Mein Mann arbeitet Vollzeit. Ich habe zwar vorher nicht wahnsinnig viel weniger verdient, aber ich bin selbstständig. Mein Mann hat die volle Stelle, eine sichere Anstellung, ein gutes Gehalt. Mein Einkommen schwankte immer stark. Zu stark um sich darauf verlassen zu wollen, wenn man ein Haus und ein Auto abbezahlen muss, wenn man eine fünfköpfige Familie ernähren muss. Es war der sichere Weg.
Unsere Beweggründe warum wir aktuell die Aufgaben bei uns so aufgeteilt haben, sind möglicherweise nicht ganz klassisch, aber das Ergebnis durchaus. Mama ist meist zu Hause. Papa arbeitet.
Ich kann zudem in der Theorie fast überall und jederzeit arbeiten. Ich brauche nicht viel mehr als einen Internetzugang, meinen PC und Ruhe. Das mit der Ruhe hat sich aber vor drei Jahren mit der Geburt der Zwillinge hier erledigt. Deswegen arbeite ich seitdem nur noch in homöopathischen Dosen. Gut, ich habe auch noch ein “Baby” (der Ausdruck passt zu meinem Riesenkrümel nur noch bedingt) zu Hause und bin in Elternzeit, aber ich sehe durchaus bei uns diese alte klassische Aufgabenverteilung. Ungewollt von uns. Zumindest als Dauerlösung.
Welche Chancen sehe ich in der Familienarbeitszeit?
Wenn der Mann einige wenige Stunden weniger arbeiten würde, die Frau gleichzeitig deutlich mehr als nur Halbzeit arbeiten könnte, würde sich das Einkommen insgesamt erhöhen. Es könnte ein kleiner finanzieller Anreiz sein, solche Lebensmodelle zu wagen. Das geringere Einkommen des bisherigen (männlichen) Hauptverdieners würde ja zum Teil durch das Familiengeld aufgefangen. Das Wagnis zumindest wäre finanziell gering.
Die Familienarbeitszeit könnte die Abhängigkeit der Frau vom Einkommen des Mannes reduzieren. Die Pausen im Beruf könnten kürzer ausfallen, Frau könnte früher mehr arbeiten, weil Papa zu Hause mehr mithelfen kann. Die Jobs für Kohle und jene rund um Wischmop und Windeln würden gleichmäßiger verteilt. Am Ende könnte, rein hypothetisch, die Lücke zwischen den Gehältern männlicher und weiblicher Erwerbstätiger kleiner werden.
In den Köpfen der Arbeitgeber und im Denken der Gesellschaft könnte allein durch solche Modelle ein Umdenken stattfinden, dass entsprechende Stellen überhaupt mal angeboten würden. Vielleicht wären dann Eltern, die beide einige Stunden reduzieren, gar nicht mehr so exotisch. Die Akzeptanz für Väter, die im Beruf ein paar Jahre kürzer treten, könnte steigen. Das Überdenken alter Rollen- und der bisher üblichen Arbeitszeitmodelle ist für mich der wichtigste Punkt der ganzen Idee.
Ich habe keine Ahnung, was am Ende bei einem solchen Konzept rumkommt, wenn es denn je eine Chance hat (mit familienfreundlicher Politik gewinnt man derzeit eher keine Wahlen) und den politischen Prozess der Kompromisse überstanden hat, aber es lohnt sich schon allein deswegen dafür zu kämpfen, damit es eine öffentliche Debatte rund um das Thema gibt. Ob es dann am Ende wirklich auch für Selbstständige ein praktikables Modell ergibt, muss man abwarten. Mit Sicherheit, egal wie die Konditionen am Ende aussehen mögen, wird es nicht auf jede einzelne Familie passen. Und es gibt – und soll auch weiter geben – viele Eltern, die gar nicht beide so viel arbeiten wollen würden. Das ist auch gut so. Schön wäre aber eine Erleichterung für diejenigen, die es von sich aus wollen.
Ich will arbeiten. Ich arbeite gerne. Und ich brauche auch eine Erwerbsarbeit, unabhängig von meiner wundervollen Familie und der Zeit mit ihr. Es würde mich unendlich frustrieren, wenn ich jetzt an dieser Stelle schon wüsste, dass ich mir beruflich für die Zukunft Ambitionen sparen kann. Ich bin nämlich verdammt gerne Mama, aber eben nicht nur Mama.
Eure Kerstin