…oder warum bei mir im Oberstübchen das Licht flackert.
“Der Begriff Multitasking [ˌmʌltiˈtɑːskɪŋ] (engl.) bzw. Mehrprozessbetrieb bezeichnet die Fähigkeit eines Betriebssystems, mehrere Aufgaben (Tasks) (quasi-)nebenläufig auszuführen.” Quelle: Wikipedia
Man sagt weiblicher Hardware nach, dass sie im Allgemeinen optimiert ist für derartige gleichzeitige Prozesse. Hat das Betriebssystem erst einmal das Update Mutterschaft aufgespielt läuft es permanent im Multi-Modus. Mütter machen unglaublich viel gleichzeitig. Sie sind Mega-Multi-Tasker. Sie tragen das jammernde Baby schuckelnd auf der Hüfte, während sie Butterbrote für das Abendessen schmieren und beantworten nebenbei geduldig die zwanzigste Warum-Frage des einen Kleinkinds, während sie dessen Zwilling versuchen davon abzuhalten, lustige Muster mit Honig auf dem Tisch zu malen.
Ich bin so ein Modell. Ich mache viel gleichzeitig. Sehr viel. Ich bin ein Megamultimuttimachmaster! Mir fällt das leicht. Ich war schon immer eher mies darin, nur eine Sache zu machen. Schon in der Schule konnte ich prima gleichzeitig die Lateinübersetzung für die nächste Stunde abschreiben, Zettel unterm Tisch weiterreichen, mich mit meinem linken Sitznachbarn und der Freundin schräg hinter mir unterhalten. Erwischt wurde ich dabei nie, denn ich trieb die Lehrerschaft damit in den Wahnsinn, auch in solchem Momenten noch auf die Frage “Kerstin? Wie lautet die Antwort?” das korrekte Stichwort herauszuschleudern. Bei Unaufmerksamkeit haben sie mich nie erwischt. Praktisch.
Als Mama erst recht. Ich leiste seit Jahren wie selbstverständlich Hardcoretasking auf semiprofessionellem Niveau. Ich habe ja auch drei Kinder, denen ich gleichzeitig mein Ohr schenken und sie vor Dummheiten abhalten muss; die ich umsorgen und bespaßen muss. Läuft…
…meistens…leider nur meistens.
Denn hin und wieder wird die Hardware überlastet. Dann blinken kleine Warnlampen und die Sicherungen brennen durch. Anders kann ich mir das nicht erklären, dass zwischendurch mein Betriebssystem abstürzt. Quasi im Wartungsmodus sitze ich dann da und weiß nichts mehr. In meinem Oberstübchen nur flackerndes Licht und Gedankenfetzen voller “Du musst noch…”, “Du solltest noch…”, “Es fehlt noch…”. Grenzdebil starre ich vor mich hin und kann die ganzen Kleinigkeiten, an die ich denken müsste, gar nicht denken. Sie rauschen nur wild durch meinen Kopf hindurch.
Heute war es wieder soweit. Abgesehen vom normalen Alltagswahnsinn ist noch soviel für die Taufe am Wochenende zu erledigen, tausend Kleinigkeiten zu bedenken. Die Zwillinge hatten heute morgen keine frischen Unterhosen mehr im Schrank und dem Krümel gehen die sauberen Kurzarmbodys aus. Im Kühlschrank umarmen einsame Maiskolben (wie kommen die dahin und warum sind sie da?!) das kleine Reststück Käse. Ein Brot, um dieses darauf zu legen, finde ich zur Frühstückzeit keines mehr im Haushalt. Mangelwirtschaft mitten im Kapitalismus.
Die Kinder stört es nicht. Die Zwillinge tragen in irgendwelchen Wäschekörben zusammengesuchte Unterwäsche und fanden die Waffeln zum Frühstück ganz akzeptabel. Kaum sind sie zum Schnuppertag im Kindergarten, kehrt minimal Ruhe ein und der Krümel hält Nickerchen. Ich habe nun ungefähr eine Stunde, um… Ja… Äh.. was genau?!
Ich muss dringend… äh, wo anfangen? Ich bin völlig überfordet mit dem Chaos in meinem Kopf und während ich ziellos umherirre, stolpere ich bzw mein Blick über die Ameisenstraße quer über meine blitzblanke Arbeitsplatte der Küche. Tja… also ich habe dann heute meine Küche ausgeräumt, ausgewischt, alle Lebensmittel kontrolliert und luftdicht verpackt, Backpulver in den Schränken verstreut, mich unfassbar gejuckt und so ziemlich gar nicht multigetasktet.
Zur Taufe werde ich übrigens dann keine Torte selber backen. Der Traummann beschloss bei dem Anblick seiner nur noch unverständliches Zeug vor sich hinstammelnden Frau, dass das Betriebssystem runtergefahren wird und trotz anstehender Taufe im Energiesparmodus bleibt. Kuchen backen eine Oma und eine Patentante sowie die Tiefkühlabteilung des Supermarktes. Die andere Patentante verfasst die Fürbitten, die zweite Oma besorgt die Tischdekoration, der Italiener liefert das Mittagessen und ich schreibe mir den wirren Gedankenmüll aus dem Kopf. Da habt ihr es. Und ihr müsst es nun lesen. Tzzz…
Eure Kerstin
P.S.: Aber neue Schuhe zu meinem Kleid hätte ich schon noch ganz gerne. Hhmmm…