Habt ihr diese Wahnsinnsfrau da gerade gesehen? Sie marschiert gut gelaunt mit drei kleinen Kindern aus einem Schuhgeschäft. Das Kleinste wippt mit den Füßen im Kinderwagen und scheint seine neuen Schuhe zu bewundern. Die beiden Größeren erzählen wilde Geschichten.
Sie ziehen weiter und diskutieren beim Gemüsehändler heiter, welches Obst sie kaufen sollen. Das Mädchen möchte Erdbeeren, der Junge mag lieber Pfirsiche, sie kaufen beides und noch mehr. Ihre Mama scheint total entspannt und lächelt. Wie frisch sie aussieht! Wow!
Die vier gehen weiter, holen beim Bäcker Brot und verschwinden im Drogeriemarkt. Die Kinder kauen auf halben Brötchen und laufen durch die Fußgängerzone. Sie bewegen sich in unterschiedliche Richtungen, aber irgendwie kommen sie alle gemeinsam vorwärts.
Ihr Weg endet auf dem Marktplatz in der Außengastronomie des spanischen Restaurants. Sie bestellen einen Café Con Leche, ein kleines Wasser und eine kleine Schorle. Der Kleinste krümelt im Hochstuhl fröhlich sein Brötchen, die Größeren laufen über den Platz und Mama quatscht entspannt mit ihrer Bekannten am Tisch.
Sowas kann es nicht geben. So idyllisch. So entspannt. Solche Frauen gibt es nicht! Nicht mit drei kleinen Kindern!
Diese Frau bin ich. Dieser Einkaufsbummel fand diese Woche statt.
Und auch wenn ich nicht ewig in so einem Lokal sitzen bleiben könnte, es reichte, um den Kaffee in Ruhe zu trinken. Wir gingen noch zu Fuß nach Hause, holten uns ein Eis auf die Hand, nahmen auf Wunsch der Zwillinge für zwei Stationen den Bus und der Krümel schlief tief im Wagen, als wir zu Hause ankamen. Kein Streit, kein Stress, kein Drama… nur abends war ich sehr, sehr müde.
Heute so und morgen so
Habt ihr dieses Schreckgespenst gesehen? Diese müde Frau mit den strubbelig, strähnigen Haaren und den tiefen Augenringen? Fluchend hängt sie mit dem Oberkörper im Auto und zerrt an den Gurten. “Jetzt bleibt doch mal stehen! Bleibt endlich stehen! Verdammt nochmal!” brüllt sie das kleine Kind an, dass um das Auto rennt. “Hier fahren Autos!!!” Sie klingt ungeduldig und echt gereizt, während sie ein zweites Kind etwas unsanft aus dem Auto hebt.
Schimpfend verschwindet ihr Oberkörper wieder im Auto, um ein weiteres, noch kleineres Kind hervorzuholen. Bepackt mit zwei Kinderrucksäcken und zwei großen Taschen, das Kleinste auf dem Arm, treibt die ganz offensichtlich überforderte Frau die beiden Größeren Kinder mit Ermahnungen an. Die Ungeduld in Person, garstig und unfreundlich.
So ein Schreckgespenst will man nicht zur Mutter haben.So ein Schreckgespenst will man als Mutter nicht sein. Die armen Kinder!
Diese Frau bin ich. Diese Autofahrt fand am Morgen nach unserem Einkaufsbummel statt.
Ich hatte beschissen geschlafen. Nahezu gar nicht. Der Krümel hielt mich und meinen Traummann wach. Die Zähne. Die Backenzähne um genau zu sein. Oder eine Phase. Oder war Vollmond? Vielleicht war Dreivierteileinhalbmond oder soviele Eindrücke zu verarbeiten. Achwas, Bauchweh war es. Oder die Zähne. Irgendwas halt, was einen gar nicht schlafen lässt.
Um sechs Uhr ist der müde Mann schon auf dem Weg zur Arbeit, als meine Zwillinge sich in mein Bett kuscheln. Es könnte so wundervoll sein. Ich bekomme es kaum mit. Der Krümel ruft weint. Und ich kann mir kaum meine Tränen verkneifen. Tränen der Verweiflung, weil ich so unfassbar müde bin und mich fühle, als habe mich ein LKW gerammt.
Achwas, er hat mich über den Haufen gefahren und noch dreimal zurückgesetzt. Und doch stehe ich auf, gehe zum Krümelchen, funktioniere. Irgendwie muss ich die drei Kinder und mich anziehen, halbwegs waschen, in einem Zustand bringen, in dem man das Haus verlassen kann. Denn allein bleiben mit allen dreien wäre auch keine Lösung.
Noch vor dem Frühstück habe ich dreimal die Kinder angeschrien. Es tut mir leid. Ich entschuldige mich “Ich wollte dich nicht anschreien. Mir geht es heute nicht gut.”Ich mache weiter. Ich funktioniere mechanisch. Ich trage die Kleidung vom Vortag und außer meine Zähne zu putzen, habe ich keinerlei Versuche gemacht, meinen Zustand zu optimieren.
Nur irgendwie bei der Tagesmutter ankommen, die Zwillinge heile bei einer besser gelaunten Person abgeben, auf den ersten Tagschlaf des Krümels hoffen und eventuell am Nachmittag eine bessere Mutter sein können.
Ich bin eine gute Mutter. Ich bin mir da recht sicher. Ich verbringe gerne Zeit mit meinen Kindern und ich bin auch dann noch verdammt gelassen, wenn um mich herum das Chaos tobt. An guten Tagen. Aber ich bin eben auch die Mama dreier ziemlich kleiner Kinder und meine Akkus sind nicht voll geladen. Ich laufe quasi auf Reserve. Zwischen Supermutti und dem Albtraum der Erziehungsratgeber liegt manchmal nur eine durchwachte Nacht. Da fehlt mir die Energiereserve. Es gibt bei uns eben immer mal wieder Tage, da wünsche ich mir schon beim Aufstehen (im Morgengrauen) den Abend herbei.
Und wenn jemand von euch eine dieser Mütter auf der Straße sieht, die Supermutti oder ihr Schreckgespenst, dann denkt daran, dass sie vielleicht morgen eine ganz andere ist. 😉
Eure Kerstin