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Brief an einen, der mich verlassen wird

Geliebter Mittagsschlaf,

es war keine Liebe auf den ersten Blick zwischen uns. Ich habe dich immer belächelt in meinem jugendlichen kinderlosen Leichtsinn. Ich konnte dir nichts abgewinnen, fand dich ziemlich langweilig und unattraktiv.

Aber man wird ja bekanntlicher älter und reifer. Ich wurde (Zwillings-)Mutter. So bin ich vor drei Jahren ganz und gar deinen Reizen erlegen.

Dein Stiefbruder – der Nachtschlaf – war eine flatterhafte und treulose Seele. Unsere Beziehung war unbeständig und schmerzlich enttäuschend für mich. Er trieb mich förmlich in deine Arme! Ich brauchte dich!

Ich brauche dich noch immer!

Um einmal kurz durchatmen zu können, an langen anstrengenden Tagen. Um die Stille zu genießen und vielleicht sogar einen Kaffee heiß zu trinken. Um all die Dinge zu erledigen, die ohne dich bzw mit wachen Kindern an meiner Seite drei Mal so lange dauern würden. Immer häufiger brauche ich dich aber auch, um ganz einfach Schlaf nachzuholen. Um Kraft zu tanken.

Ich liebe dich, Mittagsschlaf!

Ich brauche dich! Und du? Du willst mich nun einfach verlassen. Davon schleichen willst du dich! Ja, die Zwillinge sind drei Jahre alt. Ja, es ist durchaus möglich, dass man dich in diesem Alter nicht mehr so recht zu schätzen weiß. Diese Jugend! Wahrscheinlich brauchen sie dich auch wirklich nicht mehr. Aber was ist mit mir?

Nach drei erfüllten Jahren willst du mich nun verlassen. Lässt mich wehmütig zurück. Es ist ein Abschied in kleinen Schritten, aber ich rechne jeden Tag damit, dich für immer verloren zu haben.

Geliebter Mittagsschlaf, du wirst mir fehlen!

Ewig dein,
Kerstin

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