Was wäre, wenn ich einfach streiken würde?
Wenn ich einfach an diesem heutigen Weltfrauentag in den Ausstand träte?
Mir so eine Frage zu stellen in der aktuellen Phase, ist fies. Oft genug wünsche ich mich derzeit einfach mal weg in ein paradiesisches Parallel-Universum. Aber ich versuche sie zu beantworten. Ganz viele Texte über einen Tag ohne Frauen werden im Blog des Feministischen Netzwerks gesammelt.
Was wäre ohne mich? Im bezahlten Job?
Ob ich arbeiten würde oder nicht, da bin ich mal ganz ehrlich, würde vermutlich keinen Unterschied machen. Diese Tatsache ist frustrierend, aber wahr.
Ich bin selbstständig und es gäbe keinen Arbeitergeber, keine Kollegen oder Mitarbeiter, die mich vermissen würden. Es gab Zeiten, in denen hätten mich Auftraggeber vermisst. Hätten auch etwas größere Probleme gehabt, mich (genauer gesagt: meine Arbeitsleistung) schnell zu ersetzten. Da hätte auch durchaus schon ein Tag für größere Turbulenzen gesorgt. Aber diese Zeiten sind vorbei.
Seit über drei Jahren arbeite ich weniger, denn ich gebar zwischenzeitlich drei Kinder. Mit dem dritten Kind wurde aus “weniger” ein “sehr viel weniger”. Im letzten Herbst wurde mit Beginn der Eingewöhnung der großen Kinder im Kindergarten und des kleinen Kindes bei der Tagesmutter regelmäßige Arbeit zur Utopie. Finanziell ist mein Einkommen nicht mehr eingeplant (und auch nicht zwingend notwendig). Wenn ich einen Tag nicht arbeite oder auf E-Mails reagiere, ist der sprichwörtliche Sack Reis in einem fernöstlichen Land deutlich relevanter.
Mir geht es damit nicht sonderlich gut, um einen krassen Euphemismus zu bemühen. Ich liebe meine Arbeit. Ich liebe es zu arbeiten. Mir fehlt der Ausgleich und das Gefühl der Anerkennung in diesem Lebensbereich.Mir fehlt eigenes, selbst verdientes Geld auf meinem Konto.
Aber wie es dazu kommen konnte, ist keine so kurz erzählte Geschichte und hat auch nur am Rande etwas mit tradierten Rollenbildern zu tun. Die erzähle ich euch vielleicht ein anderes Mal.
Was wäre ohne mich? Zu Hause in der Familie?
Ein einzelner Tag ohne mich würde das Leben zu Hause normalerweise nicht aus dem Takt bringen. Selbst zwei oder drei Tage würden sich nur merkwürdig anfühlen, aber sind auch schon vorgekommen.
Mein Traummann ist unter anderem auch deswegen mein Traummann, weil der die komplette Geschichte mit Haushalt und Familie genauso drauf hat wie ich. Es gibt einige Disziplinen, in denen bin ich ihm deutlich überlegen, und andere, da ist er klar besser. Das ergänzt sich netterweise zu Hause ganz gut. Aber so wie ich alleine klar käme, käme er es auch.
Der Papa hat keine Scheu davor, alleine mit drei Kindern den Alltag zu meistern. Es bricht dann kein Chaos aus (zumindest nicht mehr als üblich), der Haushalt verwahrlost nicht und die Welt drehte sich gleichgültig weiter.
Kompliziert würde es, wenn ich nicht einen einzelnen Tag fehlen, würde sondern grundsätzlich. Denn das Leben, das wir als Familie leben, würde so nicht mehr funktionieren.
Wir erledigen die Dinge zu zweit. Für einen alleine wäre es zuviel. Wäre ich nicht da, dann müsste der Traummann entweder deutlich weniger arbeiten. Dadurch ergäbe es ein klares finanzielles Problem und der Lebensstandard wäre in vielen Bereichen nicht mehr zu halten. Alternativ müssten alle drei Kinder in eine andere Einrichtung wechseln, damit die Rechnung zwischen Betreuungszeiten, Fahr- und Arbeitszeiten aufgehen könnte. Und/oder die Großeltern (sowie andere Freunde und Verwandte) müssten alle viel mehr helfen, Kinder mitbetreuen, Fahrdienste übernehmen und so weiter.
Ja, ich würde fehlen. An allen Ecken und Enden. Die Kinder würden mich vermissen. Der Traummann müsste alle Sorgen alleine tragen, alle Aufgaben alleine erledigen, alleine für die Familie sorgen und Entscheidungen einsam fällen. Es bliebe verschwindet wenig Energie und Zeit am Ende für die schönen Dingen des Familienlebens übrig.
Kurz: Er wäre alleinerziehend. Alleinerziehend mit drei kleinen Kindern.
Mein Tag ohne mich
Träte ich einen Tag in den Streik, dann würde kein Chaos ausbrechen.
Aber ich streike heute nicht. Ich lehne mich kurz innerlich zurück und träume von einem Gläschen Aperol auf einer Liege an irgendeinem ruhigen, sonnigen Ort mit schöner Aussicht. Den ganzen Tag lesen, bedient werden und Löcher in die Luft starren. Den Abend mit Freundinnen, gutem Essen und noch besserem Gesprächen verbringen. Ein Traum. Aber hier herrscht Ausnahmezustand und da hält die Familie zusammen. Da haut keiner ab. Höchstens im Traum. Aber auch dann nur ganz kurz.
Würden alle Frauen in den Ausstand treten, müssten sämtliche Aufgaben von verbliebenen Männern übernommen werden. Die Hälfte aller Hände, die etwas erledigen könnten, würden fehlen. Die Hälfte aller mitdenkenden Köpfe würden fehlen. Es gäbe nicht genug Hände und Köpfe, um das wirtschaftliche oder gesellschaftliche, das öffentliche wie private Leben so aufrecht zu erhalten wie wir es kennen.
Würden alle Frauen auch nur einen Tag in den Ausstand treten, dann bräche das Chaos aus.
Eure Kerstin
*Der Titel ist irreführend. Es hätte heißen müssen “Wo sowieso Ausnahmezustand herrscht, kann unmöglich noch mehr Chaos durch mein Fehlen ausbrechen.” aber das war mir zu lang und umständlich. Der wirre verkrüppelte Rest nach dem Kürzen durfte stehen bleiben, denn mir fiel nicht ein, wie ich dort noch ein “Wir haben schon genug die Kacke am Dampfen hier, da streike ich nicht auch noch.” hätte reinfrummeln sollen.