5 ist ein faszinierendes Alter bei Kindern <3 besonders mit der Maus verändern sich derzeit massiv die Gesprächsthemen. Es ist wunderschön und schwer zugleich.
Kennt Ihr Judith Holofernes? Sie hat kürzlich ihr neues Solo-Album veröffentlicht. Ein Album, welches ich sehnsüchtig erwartet habe und was mich vollends begeistert. Es läuft in meinem Auto quasi in Dauerschleife. Wenn nicht, fordern die Murmels „die Judith“ ein.
NEIN. KEINE WERBUNG. KEIN SPONSORED POST.
Nur eine kleine Geschichte über meine Mäuse-Tochter, meine Eltern, Großeltern, Judith und mich.
Also: mein Auto, Judith in Dauerschleife, die Maus und ich…
Auf der CD ist ein wundervoll trauriges und zugleich schönes Lied mit dem Titel „Der Krieg ist vorbei“. Ein Lied, welches mir regelmäßig Gänsehaut macht. Besonders die Textzeile „In jedem Haus hier wird ein toter Mann Vater…“ Warum? Meine Eltern sind beide 1943 geboren. Beide haben ihre leiblichen Väter nie kennengelernt. Mein Papa war auch schwer berührt von dem Lied. Meine Eltern sind die Generation ohne Vater.
Besagtes Lied lief also, als die Maus und ich vom Kinderarzt (U-Untersuchung) Heim fuhren.
Die ganze Zeit quatschten wir über den Kinderarzt-Termin, die Kita und den gestrigen Nachmittag und Abend mit dem Papi. Auf einmal fragte sie mich, ob ich das Lied mag. Was ich bejahte.
„Aber warum? Die Judith singt doch von Krieg. Krieg ist doch doof…“
5 Jahre und schon so viel klüger also so viele Politiker und Populisten auf dieser Welt.
Ich erzählte ihr, warum ich das Lied mag und warum es mir Gänsehaut macht.
„Mama, wenn Oma und Opa keinen Papa hatten, dann hattest Du auch keinen Opa!“
Bäm… ja! Etwas, was ich besonders als Kind sehr sehr vermisst habe. Ich war neidisch auf die Opis meiner Freunde. Ich wollte doch so gerne auch einen Opi haben. Aber auch damals hat mich schon umtrieben, wie grausam es für meine Eltern sein musste, ohne Papa groß zu werden. Mein Papa war doch immer mein Held <3
„Krieg ist ja wirklich doof. Da sterben Menschen.“
Wie erklärt man einer 5jährigen, dass im Krieg immer die am meisten leiden, die am wenigsten damit zu tun haben? Die Zivil-Bevölkerung, die Kinder… Ich weiß nicht, ob ich die richtigen Worte gefunden habe. Ich habe geantwortet, so lange sie gefragt.
„Warum singt die Judith darüber, wenn das so doof ist?“
Ich habe ihr versucht zu erklären, dass es ganz ganz wichtig ist, nie zu vergessen, dass es auch hier Kriege gab. Nie zu vergessen, wie schlimm und grausam Kriege sind und dass das nur geht, in dem darüber redet (oder singt). In dem man nicht über all das Schreckliche schweigt, weil man es doof findet oder weil es einen traurig macht. Man muss darüber reden, damit es nicht vergessen wird.
Mir fiel dieses Gespräch wahnsinnig schwer. Ich will meine Murmels beschützen. Eigentlich will ich nicht, dass sie jetzt schon erfahren, wie schrecklich die Welt und wie grausam Menschen sein können. Am liebsten würde ich meine Kinder in einer rosafarbenen Wolke aufwachsen lassen. Aber leider geht das nicht.
Ab wann haben Kinder das Alter, um mit ihnen über so was sprechen? Den Tod kennen sie. In unserer Wohnung hängen viele Fotos von Menschen, die nicht mehr leben und trotzdem Teil meines und unseres Lebens sind. Sie gehen regelmäßig mit Oma und Opa zum Grab ihrer Tante.
Die rosa Wolke ist eine Illusion, die nicht realisierbar ist.
Ich habe für mich irgendwann entschieden, sobald sie fragen, werde ich antworten und erklären. Und einfach darauf hoffen, die richtigen Worte zu finden. Ich denke, dass es mir bei meiner Schwester geglückt ist und auch das Gespräch über den Krieg war, glaube ich, ok.
Ich gestehe, ich war gespannt, wie die Nacht wird. Umso mehr die Murmels umtreibt, umso unruhiger sind die Nächte… Die Maus hat die Nacht in ihrem Bett durchgeschlafen. Von daher denke ich, dass ich es geschafft habe, so ein schweres Thema so zu erklären, dass sie nicht zu viel Angst und Sorge hatte.
Das Auto ist allerdings echt ein doofer Ort für so eine schwere Unterhaltung. Ich kann sie nicht einfach auf den Arm nehmen und dabei bekuscheln.
Wie geht Ihr mit so schweren Themen um? Was tut ihr, wenn Eure Kinder fragen?
Ich finde es jedes Mal aufs neue wahnsinnig schwer. Es fühlt sich für mich immer so an, als ob ein Stück heile Kinderwelt gerade verloren geht.
Toll gemacht :-). Ja, echt schwer :(((
Ich danke Dir <3
Auch wenn meine Meinung Dich hierzu vielleicht nicht erfreut: Kindergarten- und jüngere Grundschulkinder sollten von so etwas nach Möglichkeit nichts mitbekommen. In diesem Alter sollte man Ihnen vermitteln, dass die Welt ein schöner interessanter Platz ist, an dem man sich geborgen fühlen kann. Das ist eine Illusion, aber ich halte sie den Kindern zuliebe für wichtig. Wir vermitteln Ihnen ja auch die Illusion vom Osterhasen oder Weihnachtsmann, erst später lernen sie, dass es die nicht gibt. Warum machen wir so was? Weil es den Kindern etwas bringt.
Noch achte ich deshalb darauf, dass meine Tochter (7) möglichst nichts von der aktuellen Weltlage mitbekommt. Z.B. höre ich an Tagn mit Terroranschlägen kein Radio im Auto.
Grundsätzlich bin ich da ganz bei Dir! Bloß sickert ab und an immer mal was durch, sei es, weil ich unachtsam war oder weil sie was aufgeschnappt haben oder weil es – wie der Tod meiner Schwester – Teil unseres Lebens ist.
Und wenn sie fragen, werde ich antworte und das hoffentlich so, dass sie den Glauben an das Gute in der Welt nicht verlieren.
Liebe Murmelmum
Ein wundervoller Text. Ich glaube ja das Kinder im Auto oder überhaupt wenn wir leicht abgelenkt sind, solche Fragen stellen, weil sie sich nach einer ehrlichen und ungeschönten Antwort sehnen. Vielleicht aber auch, weil man sie dann nicht so genau beobachtet. Blickkontakt managen ist eine komplexe Aufgabe. Aber vielleicht ergibt es sich beim Autofahren auch deshalb, weil die Kinder nichts anderes zu tun haben.
Mein Kind hat die schweren Themen abonniert. Tod, Verletzung. Seit bei der Sendung mit der Maus die Geschichte von Tiba erzählt wird, die aus Syrien geflüchtet ist, sprechen wir regelmäßig über Krieg. Es ist wirklich sehr schwierig das zu erklären.
Du machst das ganz wundervoll.
Liebe Grüße
Deine Esther
Danke, meine Liebe <3
Ich bin da ganz bei dir. Wenn sie fragen, dann gibt es kindgerechte Antworten (soweit mir das gelingt). Hier werden die schwierigen Themen auch gerne im Auto gefragt. Das erste richtige Gespräch über den Tod haben wir geführt, weil wir für einen Trauerzug halten mussten. Nebenbei saß da auch die 2,5 Jahre jüngere Schwester mit im Auto und hat zugehört. Gerade jüngere Geschwisterkinder werden häufig viel früher mit der Welt konfrontiert…
Danke für Deine Worte.
Besonders mit jüngeren Geschwisterkindern stelle ich es mir unglaublich schwierig vor, diese Fragen behutsam, ehrlich und altersgerecht zu beantworten…
Respekt <3
Ein toller Beitrag. .
Ja echt schwer..natürlich auch bei uns Thema.. momentan umso mehr bei dem was in der welt aktuell los ist. Meine kids sind 22, 17 und 10 Jahre alt. Die zwei großen bekommen natürlich die Medien mit. Und auch da muss und will ich Geborgenheit vermitteln. Jeder Hubschrauber oder Flieger zur falschen Zeit am Himmel macht ihnen angst..bei den beiden hilft nur noch einen sammelpunkt für den Notfall ausmachen..das haben wir.. die kleine bekommt es in der schule mit. Einige flüchtlingskinder sind sehr offen was ihre Vergangenheit und reise nach Deutschland angeht.. klar macht sie sich sorgen. Und auch da kann man nur reden…..
ich selbst habe meine Schulzeit in der DDR verbracht.. Thema Krieg, Raketen und Armee waren groß.. was mussten wir an Bildern malen.. Panzer.. atompilze usw.. völlig traumatisiert war ich damals.. und hab es nicht verstanden warum man wenn Frieden ist man soviel über Krieg reden muss
Danke für Deinen Kommentar.
Die letzte Fragestellung finde ich ganz spannend. Der Maus gegenüber habe ich ganz klar und aus tiefster Überzeugung geantwortet, damit die Menschen nicht vergessen!
Bei Deiner Schilderung kam ein ganz anderer Gedanke auf: “Machtdemonstration”… Kalter Krieg und Wettrüsten. Ich bin froh und dankbar, dass meine Kinder diese Zeit nicht erleben müssen. Ich habe als Kind das Wettrüsten und kalten Krieg als sehr sehr beängstigend und allgegenwärtig empfunden. Für mich was eine reale greifbare Gefahr.
So real, wie für Deine Kleine die Berichte über Krieg und Flucht ihrer Mitschüler sind…
Ich schicke Dir eine herzliche Umarmung und wünsche Dir gutes Gelingen, besonders Deiner Kleinen die Angst zu nehmen.