Ich weine. Ich weine dicke Tränen. Dicke schwarze Tränen. Die Mascara läuft mir die Wange runter. Ich war nicht optimal mit wisch-und wasserfester Fassadenfarbe auf meine Emotionen vorbereitet.
Ich bin wütend. Ich bin unfassbar wütend. Ich bin frustriert. Ich bin traurig und ich will das alles gar nicht sein. Ich bin wütend auf mich selbst. Ich bin genervt von mir selbst, denn so will ich gar nicht sein. Nicht wütend. Nicht frustriert. Nicht traurig.
“Steck den Kopf nicht in den Sand. Du kannst doch nicht einfach aufgeben. Du musst positiv denken. Wenn du nicht glaubst, dass alles gut wird, wie soll es gut werden?” Das ist so leicht gesagt.
Ich komme gerade vom Kinderarzt. Mal wieder. 2018 ist vier Wochen alt und ich war vielleicht schon sechs Mal beim Kinderarzt. Ich habe heute morgen noch gedacht, als ich im Wartezimmer saß mit meinen drei Kindern, wie albern und wie überflüssig es doch ist, ich schon wieder beim Kinderarzt sitze.
Die Kinder haben einen fiebrigen Erkältungsinfekt. Nichts Besonderes. Der halbe Kindergarten hat einen fiebrigen Erkältungsinfekt derzeit. Dreimal Rotznase – dreimal Husten – dreimal erhöhte – nicht einmal spektakulär hohe – Temperatur. Ganz normal ist das im Winter. Alle Eltern kleiner Kinder teilen gerade das Problem.
Warum muss ich deswegen zum Kinderarzt rennen? Wir holen uns hier noch Magen-Darm (neben mir halten zumindest zwei Zwege brav ihre Brechbehältnisse vor die Nase).
Und dann kommen wir in das Behandlungszimmer. Sonnenschein ist der erste: er hat Rotznase, er hat Husten, er hat ein bisschen Temperatur: er hat ein Erkältungsinfekt und überhaupt nichts schlimmes.
Krümel ist der nächste: okay er hat Rotznase, er hat Husten, er hat ein bisschen Temperatur und ja bei ihm ist es etwas mehr etwas schlimmer, aber er ist ja auch erst zwei Jahre alt und hatte im ersten Lebensjahr diesen ekligen fiesen Virus. Dann neigt man schon mal zu Bronchitis. Nichts besonderes.
Prinzessin ist – meiner Meinung nach – schon wieder auf dem Weg der Besserung. Sie hat einen Tag vor den Jungs angefangen und eigentlich ist ihre Temperatur überhaupt nicht mehr erhöht. Ich mache mir keine großen Sorgen, es war so unnötig zum Kinderarzt zu fahren, aber wir müssen ja vorsichtig bei ihr sein und dann ist da wieder ein Befund auf der Lunge. Wir bekommen Antibiotikum. Wir sollen ja vorsichtig sein bei ihr. Prinzessin hat eine Vorgeschichte. Mehr als nur diesen dämlichen Virus im ersten Lebensjahr, der das vielleicht erst ermöglicht hat, was letzten Winter passiert ist. Aber dieser letzte Winter der ist nun ihre Vorgeschichte, der Grund vorsichtig zu sein.
Wir fahren nach Hause. Alles ist okay. Es ist jetzt eben so. Nächste Woche wird Prinzessin bestimmt nicht in den Kindergarten gehen, sie nimmt dann Antibiotikum und wenn es nach dem Kinderarzt geht, sollte sie auch danach möglichst lange noch daheim bleiben. Um sich nicht sofort wieder anzustecken.
Es ist Winter. Es ist ganz normal, dass kleine Kinder dann ständig krank sind. Alle Eltern kämpfen mit dieser nicht enden wollenden Kette von Infekten. Eine Herausforderung in Sachen Vereinbarkeit, eine Erhöhung des eh schon mächtigen Schlafmangels.

Doch zu Hause sitze ich da und weine. Weine weil es für mich eigentlich keine Herausforderung in Sachen Vereinbarkeit ist, denn so langsam müsste ich hier in meine Bio “Hausfrau und Mutter” schreiben. 2017 ließ nichts übrig in Sachen Aufträge und Erwerbstätigkeit.
Ich weine, weil es sich nicht lohnt, sich noch um Aufträge zu bemühen, wenn doch jede zweite oder dritte Woche der Ausnahmezustand wieder Realität wird. Ich weine, weil ich mich um meine Tochter sorge. Ich weine, weil ich es furchtbar ungerecht finde, dass es schon wieder uns trifft. Ich weine, weil ich selbst nicht wirklich gesund werde. Ich weine, weil ich wütend bin, weil ich frustriert bin. Weine weil ich genervt bin von den ständigen Dramen, weil ich nicht wütend sein will, weil ich doch optimistisch sein will, weil ich doch eigentlich positiv denken soll, weil ich gerade nicht positiv denken kann.
Ich bin auf sovielen Ebenen wütend. Auf das bekloppte Schicksal. Auf die Bazillen. Auf den permanten Ausnahmezustand. Auf mein Unvermögen es einfach anzunehmen und das Beste daraus zu machen.
Dann machen Prinzessin und ich uns eine nette Zeit daheim zu Hause. Dann bin ich eben eine Vollzeit-Vollblut-Mutter (was habe ich die immer bewundert!). Dann arbeite ich eben mit Kindern zu Hause, machen andere ja auch, wenn ich unbedingt arbeiten will. Dann reiße ich mich eben zusammen, dann denke ich positiv.
Nein, das schaffe ich gerade nicht. Jetzt in diesem Moment finde ich alles extrem fies. Jetzt gerade muss ich wegen einem ganz üblichen Erkältungsinfekt emotional ein riesiges Fass aufmachen.
“Du sollst nicht weinen, Mama!” Das weiß ich ja, aber manchmal ist man einfach traurig. Manchmal ist man auch einfach glücklich. Emotionen sind nicht so einfach.
Anmerkung: Diesen Text schrieb ich Ende Januar mit gerade getrockneten Tränen und noch völlig verschmiertem Gesicht. Weil er raus musste, weil ich mich sortieren musste.
Wenn ich ihn veröffentliche, dann werde ich eine ganz andere Laune haben. Dann ist vielleicht nicht gerade Ausnahmezustand oder ich bin gerade zumindest in der Lage den Ausnahmezustand als normal anzunehmen. Denn so ist das Leben mit Kindern: Ein permanter Ausnahmezustand. Meistens komme ich damit gut zurecht. Manchmal aber nicht. Dann rollen dicke Tränen. 😉
Und weil ich seltenst Blogposts veröffentliche, wenn ich emotional so neben mir stehe, muss dieser Beitrag im Entwurfsordner liegen, bis ich wieder klar denken kann, ihn lösche oder veröffentliche.
ZEITSPRUNG in den Juni 2018:
Jetzt lag der Beitrag lange genug und mir ist gar nicht mehr zum Heulen, aber ich werde ihn trotzdem noch veröffentlichen. Denn auch diese Emotionen gehören dazu.
Der Beitrag ist zum einen die Vorgeschichte zu meiner Erkenntnis, dass es mir nicht gut tut, mich als Vollzeit-Hausfrau-Mutter einzurichten. Er ist aber auch die Vorgeschichte zu meinen Glücksgefühlen. Denn bei allem, was hier so auf einen niederprasselt, bin ich doch ein #Glückskind.
Eure Kerstin
Mir gefällt der Text. Natürlich nicht die Erkrankungen. Aber er zeigt, dass eben nicht alles immer Think pink ist,sondern auch mal schwarz.
Ich habe manches ähnlich und doch ganz anders erlebt. Aber diese Sorgen, die zu Ende gehenden Kräfte (hier hat immer die Schwiegermutter aufgepasst, wenn Kind krank war und jetzt mache ich mir Vorwürfe, warum ich das gemacht habe und das Kind nicht selbst gepflegt. Meine Kolleginnen machen das nämlich anders) und die Arztbesuche usw, die waren auch da. Die Erinnerung stirbt irgendwie nicht.
Auf einen gesunden und schönen Sommer für dich und deine Lieben. LG Tanja
Dir auch. <3 Von Herzen.
Und ja, die Zweifel sind immer da, egal wie man es macht. Es ist vermutlich nie einfach.
Bei uns war es halt idR ich, die beruflich zurückgesteckt hat, denn es war ja immer weniger da, was zurückstecken musste. Und ich konnte es mir leisten, dass ich auch vier Wochen am Stück nur aus reiner Vorsicht das Kind aus dem Kindergarten lasse, weil der Kinderarzt es empfahl. Aber GUT hat sich das für mich nicht immer angefühlt und das musste ich dann auch mal teilen.
LG Kerstin
Liebe Kerstin,
mir ist gerade, als würdest Du über mich schreiben.
Denn auch unser Sohn ist “so” ein Kind. Ein Kind, der eine Vorgeschichte hat und den jeder kleine Pupsinfekt aus der Bahn wirft. Wie viele von dem oben beschriebenen Moment hab ich schon mitgemacht? Unzählige
Ich kenne die Sorge, die Wut, die Verzweiflung über den ganzen Mist, die Hoffnung nach jedem überstandenen Infekt, kehrt jetzt die Normalität ein, von der die anderen immer sprechen, wir aber nie kennengelernt haben?
An guten Tagen kann ich es annehmen und versuche es einfach zu akzeptieren, aber an schlechten Tagen, da weiss ich nicht wohin mit meiner Wut, warum trifft es gerade mein Kind, der Scheissinfekt soll ich doch verdammt nochmal andere suchen… Dann kommt das schlechte Gewissen, dass man sowas ja nicht denken darf
Die Unsicherheit ist immer da, weil man nie weiss, wann ist es wieder soweit? Planen hab ich aufgegeben, jede Planung versetzt mich in Angstzustände, wieder was nicht geschafft zu haben, wieder mal absagen zu müssen, wieder mal was verpasst zu haben.
Ich wünsche euch für die Zukunft ganz viel Gesundheit
Ich
Liebe Simone, gleiches wünsche ich dir von Herzen!
Und ich bin mir selbst sehr sicher, dass jedes Tal auch wieder endet, dass der Anstieg kommt und vielleicht eröffnet sich dann auch eine weite Hochebene. Alles wird irgendwann gut.
Liebe Grüße,
Kerstin
💚
Danke für deinen Text. Ich lag vorgestern neben dem fiebernden Kind und konnte nur noch heulen. Seit 2 Jahren hat meine Tochter alle 4 bis 6 Wochen einen Infekt. Manchmal nur 3 Tage Fieber, manchmal auch schlimmer und langwieriger. Seit November 2017 ist es nochmal schlimmer und intensiver mit den Krankheiten und jetzt kuriert sie gerade eine Bronchitis aus. Im Februar dachte ich, dass es ab März/April besser wird, aber es wird nicht besser. Wenn die Tochter mal gesund ist, habe ich drei Wochen Grippe, der Sohn eitrige Mandelentzündung oder der Mann den Rota-Virus. Ich denke immer – ok, das ist jetzt halt der letzte Infekt, danach ist mal Pause bis zum Herbst. Und zwei Wochen später ist wieder einer krank und ich kann nur noch weinen.
Liebe Verena, warum auch immer das SPAM-DING deinen Kommentar verschluckt hat, ich wünsche dir bald stabilere Zeiten.
Sie werden kommen, sie sind bei uns ja nun da. Und sie bleiben. Hoffentlich. <3
Von Herzen
Kerstin
Liebe Kerstin
Bisher war ich immer stille Mitleserin, doch jetzt wollte ich einfach mal „Danke“ sagen! Danke, dass du dich so erlich zeigst mit allen Stärken, Schwächen, den Super-Momenten und auch den Momenten zum Heulen. Denn die gibt es einfach manchmal, weil auch die stärkste Supermama mal an ihre Grenzen stößt. Toll, dass du das mit uns teilst und es dann doch immer wieder schaffst die positiven Dinge nicht aus dem Blick zu verlieren. Danke fürs ehrlich sein und dadurch helfen und Mut machen.
Ganz viele liebe Grüße von Tanja
Herzlichen Dank für deinen Kommentar, Tanja. <3
Ja, ich habe es tatsächlich nun nach all den Monaten bewusst doch noch geteilt, denn auch diese Gefühle gehören eben dazu. Jeder kennt sie, wenn auch vermutlich in ganz unterschiedlichen Ausprägungen und niemand ist immer fröhlich und zuversichtlich. Das ist normal und gut so.
Solange keines unserer Gefühle uns dauerhaft erdrückt.
LG Kerstin
Hallo Kerstin! Du sprichst mir gerade aus der Seele, auch ich habe viele Schwarze Tränen geweint,in meinem Leben, und habe das selbe erlebt wie du ,nun sind meine Zwillinge schon in der Pupertät, und ich erwische mich immer dabei das ich aus einer Mücke einen Elefanten mache, obwohl ich weiß das es mir danach selber nicht gut geht, man muss einfach Mal das Leben nicht so Ernst nehmen, und es ist nicht leicht, aber ich versuchen es ,wo ich mich früher aufgeregt habe, heute alles etwas gelassener zu sehen,es hilft. Denk dran das es dich auch noch gibt,und das du immer gebraucht wirst. Es grüßt Dich ganz lieb Anke 😃
Danke für deinen lieben Kommentar, den ich irgendwie übersehen hatte. Ja, Aufregung ist ungesund. 😉
Ich versuche es mir immer wieder selbst zu sagen.
herzlichst,
Kerstin