Es ist kein Geheimnis, dass ich verdammt gerne Zwillingsmama bin,
dass ich Zwillinge als doppeltes Glück empfinde
und auf keinen Fall als doppelt so anstrengend.
Zwillinge machen sogar vieles einfacher. Aus Elternsicht. (Für die Kinder ist es aber auch ganz toll, wenn man überall seinen Zwilling dabei hat und nicht alleine irgendwo durch muss.) Denn für die Eltern ist es ziemlich praktisch oder sogar effizient, dass zB beide Kinder gleichzeitig in den Kindergarten gehen oder dann gleichzeitig in der Schule sind. Ganz pragmatisch gedacht, erspart das Wege und Aufwand im Vergleich zu zwei unterschiedlich alten Kindern.
Wobei es dann an vielen Punkten im Leben die Frage gibt, ob man sie gemeinsam in eine Kindergartengruppe oder eben Schulklasse schickt. Oder doch lieber getrennt?
Ersteres ist tatsächlich sehr effizient. Es bleibt bei einem Elternabend, die Termine für Ausflüge verteilen sich nicht ungünstig. Praktisch. Vermutlich haben beide gleichzeitig Unterrichtsbeginn… und so vieles mehr.
Doch im Sinne der Kinder gibt es dann dem gegenüber wieder viele gute Gründe, sie doch zu trennen. Denn Zwillinge stehen gerne mal in Konkurrenz untereinander, manchmal ist einer stark dominant, manchmal sind sie zu sehr aufeinander fixiert, manchmal stresst der ständige Vergleich.
Wir haben das Glück, dass das bei Sonnenschein und Prinzessin sehr unkompliziert ist. Sie gehen seit zwei Jahren in die gleiche Kindergartengruppe. Problemlos. Ja, Prinzessin ist durchaus tonangebend zu Hause, aber sie gehen in ihrer Gruppe schlicht getrennte Wege, haben getrennte Freundeskreise und werden von allen als irgendwie zusammengehörend, aber nicht untrennbares Paar gesehen. Vielen Kindern ist nicht einmal bewusst, dass sie Zwillinge sind. Es läuft alles super und doch habe ich heute wieder einen kleinen “Nachteil” von diesem Zwillingsding im Kopf.
Dieser ständige Vergleich.
Sogar in meinem Kopf.
Autsch!
Zwillinge wachsen parallel auf und all ihre Entwicklungsschritte passieren gleichzeitig. Oder eben nicht!
Prinzessin krabbelte mit acht Monaten. Ihr Zwillingsbruder ebenfalls, doch er wirkte deutlich langsamer, denn er begann damit zwei Wochen später. Zwei Wochen sind im ersten Jahr eine gefühlte Ewigkeit, in der ein Kind schon krabbelt, das andere nicht. Wären sie unterschiedlich alt gewesen, hätte man von beiden nur dieses “naja so acht Monate waren sie alt” im Kopf.
Prinzessin lief mit 12 Monaten, der Sonnenschein brauchte wenige Wochen länger. Sie waren beide fast genau ein Jahr alt, doch… Sonnenschein lief eben später.
Sonnenschein sprach mit 18 Monaten schon ziemlich viel und auch durchaus zwei-Wort-Sätze. Seine Zwillingsschwester war wortkarg. So quasselte zum zweiten Geburtstag Sonnenschein schon in ganzen Sätzen, während Prinzessin gerade einmal zwei Worte kombinierte. Und doch sprachen beide dann kurz darauf ähnlich gut und viel. Im Rückblick wäre der Unterschied kaum in Erinnerung geblieben. Im Vergleich sah man den Unterschied deutlich.
Vermutlich wird nun auch einer der beiden sein Seepferdchen klar vor dem anderen machen. Einer der beiden kann schon recht viele Buchstaben/Worte malen, der andere nur seinen Namen. Einer malt Figuren mit aufwendigen Frisuren und interessanten Details, einer bleibt stur beim Kopffüssler, zaubert aber faszinierend genau gezeichnete ICE-Züge. Einer bindet bereits eine Schleife, der andere noch nicht. Dieser wiederum zeigt erste Versuche, die Uhr zu lesen, der andere hat da null Interesse.
Ich finde das spannend. Denn es ist wundervoll zu beobachten,
jeder sein Tempo und jeder seine Stärken hat.
Doch heute war Einschulungsuntersuchung.
Keine Frage: Sie haben es beide toll gemacht. Ich war kurz davor Applaus zu klatschen vor lauter Stolz auf meine Kinder. Ich fand sie großartig und hüpfte glückselig auf meinem Stuhl herum. Innerlich natürlich. Selbstverständlich bin nach außen immer ganz gelassen.
Doch einer mochte heute nicht reden, der andere quasselte ziemlich viel. Und auch sonst gab es wohl Details, die dazu führten, dass beide ein ganz tolles Gutachten haben, dessen Detail-Formulierungen aber abweichen. Hier ein “sehr sichere Fein- und Grobmotorik”, dort ein “sichere Grobmotorik”. Hier eine Erwähnung der sprachlichen Kompetenz, dort fehlt ein Satz zur Sprachentwicklung völlig. Details, die mir nur auffallen, weil ich beide Gutachten nebeneinander sehe. Und ja, da sind die kleinen Punkte, an denen das Zwillingsding für Eltern vielleicht doch ein wenig schwerer ist als dieses Einlingsding:
Zwillingseltern müssen den ständigen Vergleich ausblenden.
Zwei wundervolle Kinder mit eigenem Tempo und eigenen Talenten wertfrei sehen.
Sonnenschein und Prinzessin haben das beide heute jeder für sich extrem gut gemacht (ich wiederhole mich). Und als Mama weiß ich (anders als die untersuchende Ärztin)
amüsanterweise , dass der schweigsame Zwilling den größeren Wortschatz hat.
Ja, sie sind beide eloquent. aber so im Vergleich…
Ihr seht es… es geht nicht ohne Vergleich. Zumindest ist das nicht ganz so einfach.
Wie geht es euch damit? Kennt ihr das von euren Zwillingen oder Geschwisterkindern, dass ihr sie unterbewusst vergleicht oder das andere/außenstehende ganz offen machen?
Eure Kerstin