Am 5. jeden Monats fragt Frau Brüllen, was man so den ganzen Tag angestellt habe. Ich antworte dann meist sehr gerne, denn diese Tagebucheinträge sind mir eine wertvolle Erinnerung. Aktuell konservieren sie auch eine absolute Ausnahmesituation: Die Isolation in der Corona-Krise.
- Der 5. April fällt auf einen Sonntag. Palmsonntag und damit der Auftakt zu den Osterferien.
- Der Traummann hat Geburtstag und feiert diesen Tag mit uns allein. Party gibt es vielleicht nächstes Jahr wieder?
- Seit drei Wochen ist die Schulpflicht mittlerweile ausgesetzt und die Kindergärten geschlossen. Drei Wochen Isolation zu Hause.
Happy Birthday ohne Party
Vermutlich ist es um 7:00 Uhr rum, noch wahrscheinlicher brummel ich seit einer halben Stunde, der Krümel möge mich noch schlafen lassen, doch es ist nicht mehr nur der Krümel: “Mama! Geburtstag! Schnell!”, der große Sonnenschein hat zu nachtschlafender Zeit Eile und stürmt mit dem Krümel runter.
Mir ist nicht so nach stürmen, aber ich quäle mich hinterher. Als ich unten im Wohnzimmer angekommen bin, haben die Jungs die Luftschlangen dekoriert. Gemeinsam decken wir den Tisch, holen die gebastelten Geschenke und ich wundere mich, wo meine Tochter steckt.
Die hat sich mit Aufspringen der Jungs ins Zimmer neben ihren Papa geschlichen und sich neben ihn gesetzt. Schweigend und mit ernstem Gesicht habe sie seinen (vermeintlichen) Schlaf überwacht, wird er hinterher berichten. Es ist der 20. Geburtstag des Traummannes in Folge, seit wir ein Paar sind. Einer, an den wir uns erinnern werden.
Wie schön, dass du geboren bist!
Wir singen “Happy Birthday”, als der Traummann dann endlich das Wohnzimmer betreten darf. Zweimal. “Super, da hätten wir uns prima die Händewaschen zu können”*, und diese Feststellung des Sonnenscheins zeigt, in welchem merkwürdigen Zeiten wir leben
Wir frühstücken. Ohne Kuchen, was die Kinder und ich bedauern. Ein Geburtstagsfrühstück ist kein Geburtstagsfrühstück ohne Kuchen! Ich ärgere mich, denn ich hatte mich am Vortag bewusst dagegen entschieden. Das Geburtstagskind wünschte sich Rhababerkuchen zum Kaffee und den mochte ich nicht am Vortag backen, da glutenfreies Gebäck die Eigenart hat, spätestens am Folgetag ungenießbar zu schmecken. Kurz hatte ich mit dem Gedanken extra Muffins fürs Frühstück gespielt, aber dann wären es zwei Sorten Kuchen für einen Tag geworden, an dem wir keine Gäste erwarten. Kuchen für die Tonne quasi, denn lange kann man so glutenfreies Gebäck echt danach nicht mehr essen. Trotzdem doof! Vernünftig, aber doof!
Nach dem Frühstück mache ich die Küche sauber, das Geburtstagskind überlegt sich, dass die Waschküche ein place-to-be sei. Warum er ausgerechnet heute am Sonntag und seinem Geburtstag nicht nur erst bügeln, sondern auch die Waschmaschine verrücken, um darunter zu wischen muss, bleibt sein Geheimnis.
Ich kämpfe mich durch das Thema Kuchen. Irgendwann muss ich mal darüber schreiben, wie das mit dem glutenfreien Backen so ist. Aber jetzt gerade kann ich euch nur sagen, dass ich mich fast einen kompletten Vormittag akribisch durch das Thema Rhababarkuchen kämpfe – in der Hoffnung, dass der Kuchen hinterher essbar ist.
Geburtstagsbesuch in der Coronaedition
Unsere Verwandtschaft und der Bekanntenkreis geht sehr unterschiedlich mit dem Thema “Pandemie” um. Insbesondere für die Risikiogruppenmitglieder unseres Umfelds kann ich da starke Abweichungen feststellen.
Die einen meiden vorwiegend uns, weil wir wohl das größte Risiko darstellen. Die anderen lassen sich nicht davon abhalten mit dem Fahrrad aus ihrer sonst recht strengen Isolation gegen Mittag bei uns vorbei zu fahren. Sie geben das Geschenk und Glückwünsche ab und bekommen einen Kaffee an den Gartenzaun gereicht. Komisch so auf Abstand. Aber das erste Mal, dass ich meine Eltern nach über drei Wochen wieder persönlich sehe.
Lange bleiben sie nicht. Für uns Erwachsenen wäre es sicher ok gewesen, an zwei unterschiedlichen Seite des kleinen Gartens zu sitzen und über die Distanz zu plaudern, doch die Kinder sind irgendwann kaum noch zu bremsen. Meine Eltern radeln wieder davon.
Ich hole den Kuchen aus dem Ofen, der zumindest wie gemalt aussieht. Immerhin. Und wir schnappen uns selber die Fahrräder. Zu fünft fahren wir da hin und dort hin. Zur Ruhr hinunter wollen wir nicht, da der Ruhrtalradweg laut meinen Eltern hoffnungslos überfüllt ist. Dafür fahren wir dann an sonst stark befahrenen Straßen entlang, die wir sonst mit den Kindern sicher gemieden hätten.
Alles ist anders derzeit
Zu Hause gibt es dann Kuchen. Der sogar schmeckt. Selbst das Geburtstagskind behauptet am Telefon gegenüber Gratulanten, dass er fast wie ein richtiger Kuchen schmecke.** Er wird zumindest gegessen. Zur Hälfte. So ohne Gäste ist ein ganzer Kuchen halt doof.
In den Gärten drumherum sind auch Kinder unterwegs. Es ist schwierig dieses Abstand halten. So gegen den Reflex der Kinder.
Auch ganz erwachsene Nachbarn kommen zum Gartenzaun, reichen kleine Aufmerksamkeiten und Grüße herüber. Wir stoßen über drei Gärten hinweg an. Es ist merkwürdig.
Am Ende machen wir den Grill zum ersten Mal dieses Jahr an. Es könnte ein wunderbarer Abend sein. Palmsonntag! Ferienbeginn! Ich habe ab morgen Urlaub.
Aber wir sind mittlerweile seit drei Wochen zu Hause (ich seit vier, weil ich davor krank war). Keine Schule und kein Kindergarten. Dafür Home Schooling und Home Office. Kein Karate und kein Ballett, nur YouTube-Schulsport und Seilspringen im Garten. Eigentlich hätte ich erst nach Ostern Urlaub, da wären wir eigentlich in den Urlaub gefahren zusammen. Eigentlich.
So haben wir die Reise abgesagt und ich meinen Urlaub vorgezogen, um etwas entspannter durch die Ferien zu kommen. Die kommende Woche arbeitet nur der Traummann, im Anschluss eine Woche nur ich. Was dann kommen wird?
Keiner weiß es. Glaubt ihr daran, dass dann die Kindergärten, Tagesstätten und Schulen wir ihren regulären Betrieb aufnehmen? Ich habe da so meine Zweifel, mag aber gerade nicht darüber nachdenken. Jetzt erstmal Ferien!
Eure Kerstin
* Sollten wir uns später nicht mehr daran erinnern, so notiere ich jetzt, dass man mindestens 20-30 Sekunden seine Händewaschen soll, was wohl so lang sei, wie zwei gesungene Happy Birthday.
** Tatsächlich schmecken glutenfreie Kuchen/Gebäck entweder halbwegs ODER sehen gut aus. Daher sind auch dieses ganzen Blogs und Rezepte online bisher für mich schwierig, denn ich bin oft irre enttäuscht geschmacklich. Vermutlich muss ich noch mehr Zeit verstreichen, um den Geschmack einer echten duftenden Zimtschnecke zu vergessen, damit ich glutenfreie Alternativen wirklich bejubeln kann.