So. November. Und Lockdown-Light. November-Notbremse oder was auch immer.
Ach guck mal an. Das mit dem Herbst kam ja jetzt ziemlich überraschend, dass es kühler wurde und nebliger, dass wir weniger in Parks flanieren und mehr uns in Räumlichkeiten kuscheln, dass die Pandemie anzieht. Ach war nicht wirklich überraschend? Sei es drum.
Mich ärgert es als Elternteil von schulpflichtigen Kindern ja dezent, dass so vieles an denkbaren Vorbereitungen versäumt wurde über den langen Sommer. Aber schauen wir doch mal nach vorne. Ist ja besser, als sich über Vergangenes aufzuregen, das man eh nicht ändern kann.
Die aktuelle Situation ist recht – sagen wir mal – angespannt bis düster. Anscheinend sind die Kinder auch nicht ganz so bei der Pandemie außen vor, wie manch einer phasenweise hoffte. Da bringen neue Zahlen neue Erkenntnisse.
Positives zuerst
Ich finde es grundsätzlich gut, wenn dieses Mal durchaus an die Eltern und Kinder gedacht wird bei den Einschränkungen. Wenn Familien bei der politischen Entscheidungsfindung ein relevanter Faktor sind.
Ich persönlich finde es auch gut, wenn eher Erwachsene als Kinder von den Einschränkungen betroffen sind. Ich bin davon überzeugt, dass es vielen Kindern nicht gut tat, wochen- und monatelang derartig isoliert zu leben, wie es im Frühjahr war. Es tat vielen nicht gut, dass die Bildung noch mehr als eh schon am Elternhaus hing (tat Eltern auch nicht gut – ist nämlich übelst anstrengend). Es war sicherlich besonders schlimm für die Kinder, die dringend Kontakt zu Vertrauenspersonen außerhalb ihrer Kernfamilie brauchen. Aber so richtig supi, finde ich dieses Präsenzpflicht um jeden Preis gerade nicht.
Ich würde mir wünschen, dass es nicht nur DIESES eine Argument gäbe für Entscheidungen: “Wir wollen, dass die Eltern weiter arbeiten können“.
Das ist ja nett. Auch nicht unwichtig. Mir auch nicht völlig egal.
Was ist denn wichtig gerade?
Ich würde mir aber wünschen, dass die Debatte differenzierter wären und politische Kräfte fordern würden:
- “Wir wollen, dass Eltern, Lehrer*innen und Schüler*innen eine möglichst gute Verlässlichkeit haben.” (Aktuell rechne ich ja quasi jeden Tag damit, dass die Schule schließt.)
- “Wir wollen, dass Kinder sicher lernen können und wir auch wirklich alle Schüler mitnehmen können.”
- “Wir wollen, dass die Bildung nicht wieder komplett von den Voraussetzungen in den Herkunftsfamilien abhängig ist.”
- “Wir wollen, dass unsere Lehrer*innen und Schüler*innen möglichst sicher lehren und lernen – ohne permanente Angst vor Ansteckung oder dass sie ihre Verwandten daheim anstecken.” (Das ist Kindern nämlich mitnichten egal.)
- “Wir wollen den psychischen Druck, den Isolation ausübt, möglichst am wenigsten auf die Jüngsten der Gesellschaft abladen, für die Sozialkontakte so absolut essentiell sind.”
- “Wir wollen psychische Spätfolgen von unserer nachwachsenden Generation fernhalten.”
- “Wir wollen den Kontakt halten zu Kindern, denen möglicherweise zu Hause in der Isolation Gewalt und/oder Vernachlässigung drohen würde.”
Dann würde ich daraus ableiten, dass wir die Kinder nicht völlig loslassen und in Isolation schicken wollen. Dass wir alles für sichere Rahmenbedingungen und gerechte Bildung tun. Dass die Sorgen und Ängste von Schüler*innen, Eltern und Lehrer*innen ernst nehmen und damit eine Möglichkeit finden, einen Kompromiss zu gehen. Dann ginge es nicht nur um die Erhaltung der Arbeitskraft der Eltern – sondern vielleicht auch um die Belastungsgrenzen aller.
Wenn Wünsche wieder wahr würden…
Ich würde mir wünschen, dass Schule sicherer wird. Für Lehrer*innen und Schüler*innen. Gleichzeitig verlässlich für Elternteile. Dass Lerngruppen verkleinert werden. Dass zB Klassen halbiert oder gedrittelt werden. Lerngruppen von zehn bis maximal 15 Schülern, die tageweise zur Schule gehen.
Sie könnten in den Klassenräumen mehr Abstand halten. Die enge in Schulbussen und Bahnen würde abnehmen. Die möglichen Cluster würden extrem viel kleiner, die Gefahr einer Infektion würde sich statistisch dramatisch verringern.
Ich würde mir wünschen, dass die Kinder nicht wieder zwei Stunden am Tag gehen, wo ich eigentlich entweder dann gar nicht anfangen muss zu arbeiten vormittags oder sie in die Notbetreuung geben müsste und damit nix gewinnen würde. Warum können sie nicht alle zwei bis drei Schultage für die volle Stundenzahl gehen? Planbar und verlässlich.
Ich würde mir wünschen, dass die Kinder an Tagen des Distanzlernens eine virtuelle Betreuung oder zumindest Ansprechpartner hätten. Oder bei jüngeren Kindern die verzweifelten Eltern.
Selbst ohne tägliches Feedback, wäre das für mich ein riesiger Fortschritt gegenüber dem Frühjahr. Wenn die Grundschüler jeden zweiten Schultag während ihres Präsenztages Rückmeldung von Lehrer*innen bekämen zu ihren Aufgaben aus dem Distanzlernen, dann wären sie ja begleitet. Ich könnte mich gleichzeitig halbwegs darauf einstellen, dass ich im Wechsel mal mit Homeschooling-Kindern an der Seite und am nächsten Tag halt wieder effizient alleine arbeite.
(Ich träume dann noch von wirklich gutem Distanzlernen, für dass aber hier zumindest die technischen Vorraussetzungen klar noch fehlen. Aber ich träume schonmal.)
Zwischen schwarz und weiß
Wir könnten alle etwas davon profitieren, wenn es mehr gäbe als schwarz/weiß oder Schulen auf/zu.
Für die Schüler*innen wäre das ein sicheres Umfeld, weil sie nicht mehr in überfüllten Bussen hängen und mehr Abstand halten können. Sie würden nicht wochenlang isoliert und die Wahrscheinlichkeit dafür sinkt auch, dass es durch Quarantäne dazu käme, weil die Gruppen kleiner sind. Sie wären begleitet von dafür ausgebildeten Lehrer*innen, die das im Regelfall echt besser machen als wir Amateur-Eltern. Sie hätten regelmäßig Kontakt zu ihren Lehrer*innen und Mitschüler*innen.
Für die Lehrer*innen bringt es sicherlich zwar ein etwas sicheres Umfeld, aber massiv organisatorische Mehrarbeit. Leider kann ich zu dem Punkt nicht so richtig viel sagen, weil ich da absolut keine Ahnung von habe und dann lasse ich das lieber.
Müssen andere beantworten.
Für uns Eltern bringt es etwas weniger Sorgen, etwas mehr Sicherheit. Ich wüsste meine Kinder besser begleitet als im Frühjahr, ich hätte mehr Planungssicherheit und wenigstens zwischendurch Tage zum arbeiten “in Ruhe”. Ich hätte nicht das Gefühl, dass sie wegen meiner Unfähigkeit als Lehrperson gerade ziemlich verlieren auf lange Strecke.
Ich weiß es ja auch nicht, aber wünschen darf ich ja. Mir ist nämlich nicht ganz klar, warum wir wieder erst gefühlt überrollt werden müssen.
Eure Kerstin