Kerstin und das Chaos


Gedanken von guten Vorsätzen und dem optimierten Selbst

In meinem Kopf war nur ein klassischer Vorsatz dieses Jahr. Ob es ein guter war, das mögen andere beurteilen. Aber ich hatte und habe fest im Kopf, dass ich unbedingt wieder schreiben möchte. Regelmäßig. Vorsätzlich.

Hier auf dem Blog und ganz für mich alleine, analog mit Tinte auf Papier, digital auf der Tastatur oder vielleicht sogar ganz verrückt diktiert. Ganz gleich, nur regelmäßig irgendwo, irgendwie schreiben. Denn es fehlte mir so schmerzhaft.

Und vielleicht verschwimmen auch die Grenzen, denn auch hier schreibe ich vermutlich beinahe für mich alleine oder zumindest für einen kleinen Kreis eingeweihter. Ein wenig versteckt. Den Gedanken mag ich eigentlich ganz gerne.

Dieser Vorsatz nötigt mich aber nun, dass ich schreibe, ohne dass sich mir ein Thema aufdrängt. Ich schreibe, um des Schreibens willen und mir mangelt es gänzlich an Sendungsbewusstsein oder konkretem Mitteilungsdrang.

Bliebe ich bei den guten Vorsätzen und den klassischen Januarthemen, dann könnte ich von meiner neuen Fitness schreiben, denn das irritiert mich ja selbst beinahe schon. Ich, welche niemals in ihrem ganzen Leben sportlich war, an Sport Freunde gefunden hätte oder nur eine ganze Runde um den Sportplatz geschafft hätte laufend, laufe regelmäßig. So mit Laufschuhen an den Füßen und deutlich mehr als eine Runde um den Sportplatz. Nur gerade nicht, denn mir ist äußerst unmotiviert und unfit zumute in diesem Januar.

Losgelaufen bin ich vielleicht vor zwei Jahr ernstlich. Vor sicher dreien habe ich begonnen, es immer wieder zu versuchen und mangels erfolgreicher Versuche zumindest öfters die Woche zu gehen, dann ernsthaft zu walken, sogar mit diesen albernen Stöcken auf nordische Art. Mit vierzig ist einem echt nichts mehr peinlich.

Irgendwann habe ich das mit dem Laufen lernen durchgezogen. Habe beschlossen, dass ich das irgendwie lernen kann, mein Tempo finden kann. Plötzlich ging es. Ich konnte drei Kilometer am Stück laufen und irgendwann auch 5 und 7 und vielleicht werden es dieses Jahr mal 10?

Es macht sogar Spaß. Tatsächlich. Zwei oder drei Mal die Woche laufe ich seither. Mir mangelt es nur gerade an Fitness und so gönne ich mir mal chillige Regeneration aka Faulheit zum Jahresstart. Muss ja auch mal sein.

Dabei müsste ich fit ohne Ende sein: #dryjanuary und so. Aber vermutlich reicht mein Weinkonsum im Alltag doch nicht recht, dass sich das Unterlassen desselbigen bemerkbar machen würde. Ich bin etwas enttäuscht.

So hänge ich halt einfach ein wenig durch und schreibe.

Schreibe Texte, die dann doch nach Selbstoptimierung riechen. Schreibe Texte ohne Spannungsbogen und echtem Inhalt. Aber habt ihr mal den Zauberberg gelesen? Der gilt als große Literatur und hat teils über sieben eng gedruckten Seiten nicht mehr Inhalt als die Beschreibung eines Liegestuhles. In all seinen Facetten. Auch kann man in dem besagten Buch nicht von einem vibrierenden Spannungsbogen reden.

Wenn das Thomas Mann durfte… dann soll es mir nur recht sein. Wo mir der Twitter-Account in den Sinn kommt, der täglich einzelne Fragmente aus den Tagebüchern eben jenes Mannes veröffentlichte und oftmals schreiend komisch war. Gibt es den noch? Ich mochte ihn sehr.

Eine leichte Twitter-Wehmut kommt bei dem Gedanken auf. Ich vermisse tatsächlich den Austausch dort. Es war privat das einzige Social Network, dem ich immer treu blieb und das mich ernsthaft unterhalten hat. Threads ist es nicht so recht bisher. Aber das liegt an den Menschen, weniger an dem Netzwerk vermutlich.

Instagram ist mir zu bemüht. Damit meine ich nicht einmal, dass alles immer hübsch ist, aber es wird vornehmlich Content von Content Creatorn und Content Creatorn to be produziert. Also ist perfekt inszeniert und auch eben das unperfekte Motiv ist gerade deswegen so unperfekt, weil #normalisiertunperfekt und #reallife.

Alles hat eine Botschaft und sei es nur ein deeper Kalenderspruch in der Caption. Die Community wird gefragt, damit hier Call to Action und so, aber die Antwort interessiert niemanden. Nur dass geantwortet wird. Vielleicht sich sogar in den Kommentaren die Köpfe eingeschlagen wird. Dann war der Ruf nach Action erfolgreich.

Mir ist das zu anstrengend. Selbst als reine Rezipientin.

Ich mag keine Coaches und habe in den letzten Jahren eine Aversion gegen Menschen entwickelt, die mich zu einem besseren selbst coachen wollen, die nicht mehr rational begründbar ist. So schließt sich der Kreis zur Selbstoptimierung und den guten Vorsätzen, die ich mit einem kreisrunden Text als hervorragend umgesetzt betrachten mag.

Gehabt euch wohl.