Es ist wieder soweit. Der Windelvorrat neigt sich dem Ende zu. Wie schaffen das die kleinen Zwerge immer nur, soviele Windeln in so kurzer Zeit in einen Berg stinkenden Sondernmüll zu verwandeln? Hirsebällchen sind auch schon wieder alle und überhaupt, wir müssen los – los zum großen wöchentlichen Einkauf im dm.
Akribisch wird der Ausflug vorbereitet. Inhalt der Handtasche kontrollieren, Portemonaie und Handy, Trinkbecher (natürlich wieder leer, schnell auffüllen), kleine Dose mit Snacks als Bestechung bei mieser Laune, Notfall-Schnuller-Dose, 3-5 Stoffbeutel und damit mindestens einer zu wenig für die eingekaufte Menge, …
“So Zwerge, wir gehen jetzt einkaufen, holt schonmal eure Schuhe!” Prinzessin düst los und versteckt sich hinter dem Sessel. Sonnenschein entdeckt auf dem Weg in den Flur eine äußerst interessante Tüte – Inhalt mufft und stammt von der schnellen Wickelaktion nur fünf Minuten zuvor. Also Tüte unter Protest wegnehmen, Prinzessin einfangen und Schuhe anziehen. Sonnenschein entwischt nach Schuh Nummer eins und so tappst er immer noch halb unbeschuht durch das Erdgeschoss, während ich gerade versuche Prinzessin die Jacke anzuziehen. Jacke an, Sonnenschein einfangen, zweiten Schuh an, Jacke an, Prinzessin hat ihre Jacke wieder ausgezogen, Prinzessin erneut in die Jacke stecken und Haustür auf!
Oh ich habe ja noch keine Schuhe an?! Also schnell in die erstbesten Puschen und den Zwergen nach, die gerade offensichtlich Gummistiefel vor irgendeiner Tür entdeckt haben müssen und sie nun fröhlich durch die Gegend tragen. Gummistiefel einkassieren, Protest, Gummistiefel vor der nächstbesten Haustür abstellen und den Kinderwagen aufklappen. Prinzessin einfangen und festschnallen. Wo ist der Sonnenschein?
Der bewundert mal wieder die Felgen von Nachbars Auto und hat pottendreckige Fingerchen. Gut, den Schmier bekomme ich so einfach jetzt auch nicht runter, also bleibt es so. Ab in den Kinderwagen!
Wir marschieren Richtung Stadtzentrum und die Blicke, die so eine Zwillingskutsche offensichtlich zwangsläufig auslöst, bemerken wir dabei nicht einmal mehr. Passanten springen Meter vor uns auf die Straße, als ob ein Schwertransporter nahe. Ich werde von den Passagieren auf BAGGAAAA! und sämtliche uns entgegenkommende Hunde hingewiesen und erreiche ohne größere Vorkommnisse unser Ziel: den Drogeriemarkt.
Einkaufen für Fortgeschrittene
Am Eingang steht das übliche Empfangskommando aus drei bis zehn Müttern nebst Kinderwagen bereit und da man immer irgendwen kennt, folgt die hohe Kunst des Mütter-Smalltalks: “Wie geht es euch?” “Mensch sind die groß geworden!” “Schlafen sie durch?” “Warum kommt ihr nicht mehr zur Krabbelgruppe?”
“Gut.” “Ja, sie wachsen halt so vor sich hin.” “Manchmal passiert ihnen das Missgeschick.” “Mama muss arbeiten.” Prinzessin hat keine Lust mehr den interessanten Gesprächen zu lauschen und mahnt zur Eile.
Wir verabschieden uns höflich und lenken das Zwillingsgefährt in die heiligen Hallen des Drogerie-Tempels. Kurz hinter dem Eingang gleich rechts an der Wand lenken die Aufsteller mit den Lippenstift-Farben der Saison meine Aufmerksamkeit kurz von den Zwergen ab. Sonnenschein sucht derweil eine neue Mascara aus und kaut auf dem Tester rum. Ich versuche dem Mini zu erklären, dass er noch nicht ganz der Zielgruppe für dieses Produkt entspricht und sortiere die angesabberte Mascara mit schlechtem Gewissen wieder ein.
Wir erreichen fast ohne Vorkommnisse die Regalreihen mit dem Baby-Sortiment. Ein Mega-Pack Windeln wird unter dem Wagen verstaut und ich bedauere mal wieder, dass mein schicker schmaler Wagen nur ein sehr begrenztes Fassungsvermögen im Korb unter den Passagieren bietet. Viel ist nun nicht mehr zu machen. Ein paar Feuchttücher brauchen wir aber schon noch und mein Einkaufskorb füllt sich mit Früchteriegeln, Hirsebällchen, neuen Trinktüllen als Ersatz für die ständig durchgekauten der Trinklernbecher und dem üblichen Kram.
Kurz bevor ich zu dem Putzmitteln abbiegen will, melden meine Passagiere den Wunsch, doch bitte aussteigen zu dürfen. Man möchte sich an der aufgebauten Spielwand vergnügen. Ich gebe als gute Mutter dem Wunsch nach und bin ab sofort leicht im Stress. Sonnenschein untersucht die Spielattraktionen, aber Prinzessin geht im Laden einkaufen. Ihre Produktauswahl weicht dabei erheblich von den Vorgaben meines Einkaufszettels ab.
Hektisch über die Regale blinzelnd werfe ich Spülmittel (nur um zu Hause festzustellen, dass noch 3 Packungen im Vorrat sind), Waschpulver, Taschentücher und Gallseife in den Korb, fange kurz Prinzessin wieder ein, rette einen süßen kleinen Jungen davor, vom Sonnenschein zu gern gehabt zu werden (er ist stürmisch in seiner Zuneigung) und parke den Zwillingswagen immer zielsicher dort, wo er am meisten stört.
Während ich Sonnenschein versuche davon zu überzeugen, dass er wieder in den Wagen muss, nehme ich einen verräterischen Geruch wahr. Prinzessin pupst definitiv nicht nur frische Bergluft und braucht offensichtlich einen Boxenstop. Wir müssen den freundlicherweise vorhandenen Wickeltisch benutzen und dürfen dafür Schlange stehen.
Mir drängt sich der Verdacht auf, dass locker ein Duzend Familien dieser Stadt auf einen eigenen Wickeltisch zu Hause verzichten und ihre Kinder grundsätzlich im Drogeriemarkt wickeln. Anders ist der Andrang hier nicht zu erklären. Sonnenschein lässt mich wissen, dass er den Kinderwagen doof findet und er bitte wieder raus möchte. Geht nicht!
Wenn ich einen Zwilling wickeln muss, dann ist der andere besser im Wagen als bei einer Schnitzeljagd zwischen den Regalen aufgehoben. Mir ist das Protestgeschrei und die daraus resultierenden vorwurfsvollen Blicke sämtlicher Kunden wesentlich lieber als die Spur Verwüstung, die mein Sohn mir als Fährte zwischen den Regalen legen würde, wenn ich ihn denn abschnallen würde.
Wir verlassen auf schnellstmöglichem Wege den Drogeriemarkt mit kleinem Zwischenstopp an der Kasse, um das Portemonnaie um einen nicht unerheblichen Betrag zu erleichtern. Vor dem Geschäft stelle ich fest, dass Prinzessin ihre Mütze verloren hat, Sonnenschein doch noch einen Tester Concealer versteckt hatte und mir die Hälfte vom Einkaufszettel noch in den überfüllten Tüten fehlt, die ich kaum an und unter dem Wagen verstaut bekomme.
Bloß weg hier! Bis zum nächsten Einkauf.
Eure Kerstin