Frustrationstoleranz, die: Fähigkeit, frustrierende Erlebnisse längere Zeit auszuhalten (sagt der Duden)
Ich behaupte jetzt mal ganz vermessen von mir, dass ich ziemlich viel ab kann; relativ viel aushalte, bevor ich meinen Humor verliere. Die Kinder brachten mir noch eine große zusätzliche Portion Gelassenheit und so bleibe ich meist entspannt; flüchte mich notfalls in fiesen Galgenhumor.
Dies ist die Geschichte von den Grenzen meiner Frustrationstoleranz.
Oh du fröhliche verschobene Weihnachtszeit…
Als die Feiertage bei uns ausfielen, der Traummann im Krankenhaus lag und ich die spuckenden, hustenden Kinder mit Lungenentzündung und Bronchitis versorgte, da verschob ich einfach Weihnachten um eine Woche nach hinten. War halt doof gelaufen, aber was macht das schon. Am Ende sind alle irgendwann wieder gesund und Silvester kann man auch prima unterm Weihnachtsbaum Geschenke verteilen.
Nunja, den Jahreswechsel schafften wir nicht ganz ohne Besuch einer Notfallambulanz, aber ich hielt es für ein letztes Aufbäumen der Viren und Bazillen.
Im neuen Jahr wird alles besser!
Wir sind optimistisch ins neue Jahr gestartet. Ich habe mich wahnsinnig gefreut, dass die Kinder wieder zur Tagesmutter und in den Kindergarten gehen könnten. Ich freute mich auf Alltag und Arbeit; auf ein gesundes 2017. Am 4. Januar bringe ich zum ersten Mal alle Kinder wieder in die Betreuung und liege mit Schüttelfrost flach.
Den Tag darauf verblogge ich komplett und so kann man nachlesen, dass ich zwei Kinder krank abhole und noch am Abend beim Kinderarzt sitze. Am Wochenende landet der Krümel (mit Papa) in der Kinderklinik. Prinzessin und ich teilen seine Diagnose: Lungenentzündung.
Für mich die erste meines Lebens und sie haut mich um. Für die Prinzessin bereits die zweite in wenigen Wochen. Als ich einige Zeit danach über diese Phase schreibe, kann man die Risse in meinem Optimismus herauslesen.
Doch als ich dies schrieb, dachte ich, dass ich über die Vergangenheit schreibe. Über etwas abgeschlossenes. Jetzt waren wir durch mit dem Sch***. Ich war in Aufbruchstimmung. Optimistisch.
Aber jetzt! Jetzt sind wir wirklich durch!
Dann geht 2017 für uns eben ein wenig später los. Macht ja nichts.
Machte schon was, denn es ging nicht nur so weiter, wir steigerten uns noch. An dieser Stelle stand ursprünglich eine lange Version über den Ablauf der Ereignisse. Aber sie waren mir dann doch zu privat und letztendlich ist es auch egal, was im Detail los war. Die kurze Version:
Keine Woche ohne Rückschläge oder Kinderarztbesuch, drei Aufenthalte in drei Kinderkliniken in zwei Monaten, ein ernsthaft krankes Kind, zusätzlich die üblichen Infekte der Wintermonate, totale Erschöpfung bei den Erwachsenen und phasenweise große Unruhe/Verunsicherung bei den Kindern. Unser Familienleben war nicht nur im Aufruhr, es war phasenweise lahmgelegt.
Am Ende verlor ich mein Optimismus, meine Energie.
Das große Heulen
Da war dieses Wochenende, an dem ich keine Kraft mehr hatte. Das schlimmste aber war, dass ich keinen Optimismus mehr aufbringen konnte. Bis dorthin hatte ich mir immer noch sagen können, dass wir nur noch hier durch müssten und dann… Ich konnte mir nicht mehr einreden, dass sie nun eben ein paar Tage krank sein würde. Ich konnte mir nicht einreden, dass es nicht schlimmes sein würde. Ich konnte mir nicht einreden, dass danach wieder Alltag käme. Dass diese Phase ein Ende haben würde.
Ich habe geweint. Ich habe an diesem Wochenende sehr viel geweint.
Es hilft nicht zu weinen. Aber ich konnte nicht anders. Zuversicht würde helfen. Aber die hatte ich nicht.
In der kommenden Woche habe ich um eben diese gekämpft. Ich wollte ganz bewusst optimistisch sein und Situationen gelassen annehmen. Jeder Tag war ein Rückschlag. Ende der Woche war ich gefühlt kurz davor, den Verstand zu verlieren. Vor Sorgen. Panisch. Hysterisch. Überfordert. Alles keine unpassenden Vokabeln für meinen Gemütszustand.
Und jetzt?
Mittlerweile ist es März. Ob jetzt alles gut wird? Ich hoffe es. Wir haben eine Diagnose und es ist behandelbar. Allerdings wird das nicht so einfach und nicht so schnell gehen. Noch ist Prinzessin nicht gesund. Die nächsten Wochen wird uns das Thema weiter begleiten, doch die Tendenz ist eindeutig positiv.
Ich freue mich auf Optimismus, auf Zuversicht, auf Frühling, Gesundheit, Leichtigkeit und Lachen.
Eure Kerstin
Kurze humorvolle Randbemerkung zum Schluss:
Ich fühlte mich stellenweise wirklich gebrochen und alles war dunkel. Da brachte eine Episode Magen-Darm-für-5 ein wenig Licht. Der Aushang am Kindergarten drohte damit seit Tagen und tatsächlich erwischte es natürlich die angegriffene Prinzessin als erstes, gemeinsam mit ihrer erschöpften Mama, abends begann der Sonnenschein zu spucken, der Traummann krümmte sich und als ich mit dem großen Sohn im Wohnzimmer saß, den Eimer hielt, hörte ich über das Babyphone den Krümel loslegen.
Mein erster spontaner Gedanke?
Erstens: Wenn alle gleichzeitig dran sind, sind wir wenigstens schnell durch. Besser ein oder zwei harte Nächte als verteilt auf eine Woche. Zweitens: Magen-Darm ist wenigstens was triviales, dass ganz sicher in wenigen Tagen durch ist. Drittens: Endlich mal was, mit dem sich die anderen Eltern auch ständig rumschlagen. Viertens: Kerstin! Du bist nicht am Ende!!! Du hast deine Gelassenheit nicht verloren!!! Du bist nicht verloren!
Es klingt möglicherweise total absurd. Aber ich schleppte in der Nacht grinsend Eimer und bespuckte Wäsche, wusch Kinder ab und tröstete, würgte und grinste wieder. Ich hatte echt so langsam geglaubt, dass alle Leichtigkeit dahin sei. Ich freute mich unfassbar, wie gelassen, ruhig und vor allem amüsiert ich war. Ich war nicht geschlagen!