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Hallo Kerstin, das Leben ist schön!

Manchmal muss ich stehen bleiben und mir selber bewusst machen:

Hey! Dir geht es gut! Uns allen geht es gut!

Es ist stressig, ja. Du bist übermüdet, aber total! Ja, an der Tapete kleben Erdbeerreste (wie kommen die dahin?) und von der Unterseite des Tisches wirst du diese Spachtelmasse aus angetrocknetem Frühstücksbrei (noch so ein Mysterium des Haushalts mit Kindern) vermutlich nie wieder abgekommen.

Die Wäscheberge wachsen dir über den Kopf und der Morgen beginnt unausgeschlafen mit faszinierend ausgeschlafenen und mitteilungsbedürftigen Kindern, die keine sauberen Socken/Unterhosen/Hosen/Pullis (Liste bitte unendlich erweitern) mehr finden zum Anziehen. Alle schreien durcheinander und das Kleinstkind wirft deine neue Sonnenbrille durch das Treppengitter in die Abgründe (wie kam es daran? wo ist es hochgeklettert?). Die Rotznase des Kleinen läuft grünlich schillernd, kein Taschentuch zu finden.

Klar, aber die sind ja auch zwischendurch im Kindergarten! Dann musst du nur noch dieses Abholen und dich um jenes kümmern! Deine E-Mail-Konten laufen über und du kannst beim Tippen der Antworten schon die hochgezogenen Augenbrauen der Empfänger ob deiner überlangen Reaktionszeit sehen.

Jede Deadline endet mindestens drei Tage zu früh für dich. Im Kopf stehen die dringensten rot unterstrichenen ToDos Schlange und prügeln aufeinander ein. Die Uhr kreischt währenddessen schon nach gefühlt einer halben Stunde, dass du unbedingt jetzt los musst, sonst kommst du wieder zu spät zum Kindergarten!

Wieder nichts geschafft! Und am Ende blieb erst recht keine Zeit, sich mal die Nägel neu zu lackieren. Wenigstens ein kurzer Schnüffeltest, ob die ausgelassene Dusche heute (wie solltest du auch zwischendurch noch an sowas denken!) schon fiese Konsequenzen fordert. Dann die Kinder einsammeln und einkaufen, Spielplatz, was man halt so macht. Ja, du bist müde, aber auf dem Sofa wird dich eh keiner sitzen lassen. Deine Kinder verstehen das höchstens als Einladung, dich als Klettergerüst zu missbrauchen, dir die unterschiedlichen Bücher ins Gesicht zu hauen, die sie vorgelesen haben wollen oder dir beim Versuch zu kuscheln, die Nase zu brechen.

Natürlich schlafen die auch irgendwann mal. Zumindest kurzzeitig. Aber dann bist du zu müde, um mit deiner Freundin ausgiebig zu telefonieren oder zum Sport zu gehen oder…

Das Leben ist schön.

Als Perfektionistin ist es möglicherweise schwer zu verstehen, aber die Küche muss nicht zu jedem Zeitpunkt des Tages aufgeräumt sein. Diese ständige Suche in diversen Wäschekörben und auf der Leine nach tragbaren Kleidungsstücken stresst eigentlich nur eine – dich.

Du kannst die E-Mails auch morgen weiter beantworten, die Texte morgen weiter schreiben, du hast ja heute schon einiges abgearbeitet. Lackierte Nägel halten bei dir sowieso nicht lange. Lehne dich zurück und genieße einfach.

Das Leben ist schön, denn hier herrscht Leben. Viel Leben. Lautes Leben. Wildes Leben. Voller Kinderlachen und Kindergeschrei. Wenn unlackierte Nägel, geplatzte Deadlines, schmutziges Geschirr, unüberschaubare Terminkalender oder Schürfwunden deine größten Probleme sind, dann geht es dir gut. So unfassbar gut.

Deine Kerstin


Ach ich muss offensichtlich manchmal öffentlich leicht verwirrte Selbstgespräche führen, denn mein Stresspegel fällt nach den letzten Wochen nur ganz langsam ab. Sovieles ist die letzten Wochen und Monaten zu kurz gekommen und liegen geblieben. Der Frühling lockt als Neuanfang und die Versuchung ist groß, jetzt alles nachzuholen. Jetzt. Sofort. Auf einmal.

Es gibt Tage, an denen ich es einfach nur genieße, dass es uns so gut geht. Das Wetter ist schön (meistens zumindest), die Blümchen blühen und die Vögel zwitschern. Die Kinder sind gesund und die größten Sorgen scheinen grüne Rotznasen, blaue Flecken und permanent neu auftretende Schürfwunden zu sein. Wir haben ein wundervolles zu Hause und können glücklich sein.

Aber oft genug verrenne ich mich in all die Dinge, die ich tun möchte. Alle auf einmal. Es ist kein “müssen”, ich will einfach. Will endlich wieder produktiv arbeiten, will irgendwann mal Sport machen, will Freunde wiedersehen, will es endlich wieder zu Hause ordentlich haben, will dieses oder jenes und habe am Ende ein schlechtes Gefühl, dass ich nichts schaffe. Stimmt ja gar nicht. Ich schaffe verdammt viel, dass das eben nur ein Bruchteil dessen ist, was ich mir vorstellen könnte, schaffen zu wollen… DAS ist nun wirklich ein Luxusproblem.

Das Leben ist schön.

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