Du hast es einfach! Du kannst ja von zu Hause arbeiten!
Und alle so YEAH!
Mutti macht auf Home Office. Das ist total praktisch, wenn man Kinder hat. Quasi traumhaft. Man spart sich die Arbeitswege, es bleibt mehr Zeit für die Familie. Man ist im Notfall zu Hause, wenn das Kind einen braucht. Man ist immer erreichbar und nie weit weg. Man kann in Joggingbuchse arbeiten und hat die Kaffeemaschine gleich nebenan.
Möglicherweise ist das aber nicht immer ganz so einseitig wundervoll. Ich habe da so meine Erfahrungen machen dürfen…
Erinnere mich da später nochmal dran.
*aus dem Home Office gesendet
*Wäsche faltend— Kerstin Neumann (@chaoshoch2) May 18, 2017
Die Ablenkung ist oft nicht einmal eine Zimmertür weit entfernt. Die Waschmaschine ist nicht nur in der Nähe, auf dem Weg zum Schreibtisch muss ich über Wäscheberge klettern. Ich schlage mir eine Schneise am Frühstücksgeschirr, das dringend in die Spülmaschine müsste, und dem Spielzeugchaos vorbei.
Aber ich bin schon wesentlich länger Freiberuflerin mit heimischem Arbeitsplatz als ich Mutter bin. Ich habe gelernt morgens “pünktlich” die Arbeit aufzunehmen.
Ich bin Chef in meinem Büro
Früher war das leicht. Ich stand um 6 Uhr mit dem Traummann auf (damit ich nicht den halben Tag verpennte und spätestens mittags für Kunden absprechbar war), trank den ersten Kaffee, den zweiten und dritten, öffnete um 7 Uhr die Augen und konsumierte die aktuellen Nachrichten zum vierten Kaffee, duschte, zog mich an, räumte die Wohnung auf, die Spülmaschine ein und schmiss ne Ladung Wäsche an. Spätestens um 9 Uhr saß ich am Schreibtisch. In meinem Büro. Vorbildlich.
Da saß ich dann an neun von zehn Tagen noch, wenn der Traummann von der Arbeit kam, sich auf das Sofa warf und seinen Feierabend einläutete. Mal machte ich zum Abendessen Schluss, mal auch früher, gerne auch mal viel später. Wenn die Aufgaben des Tages eben erledigt waren. Ich war mein Boss. Ein knallharter Boss. Ich habe es geliebt.
Home Office unter erschwerten Bedingungen
Heute ist unser Leben ein anderes.
Vieles ist mehr geworden: Mehr Personen im Haushalt, mehr Lachen, mehr Weinen, mehr Lärm, mehr Wäsche, mehr Dreck, mehr Haushalt, mehr Chaos, mehr Aufgaben, mehr Arbeit, mehr Freude.
Aber es gibt auch Dinge, die sind deutlich weniger geworden: weniger Zeit, weniger Ruhe, weniger Stille, weniger bezahlte Arbeit, weniger Auftraggeber, viel weniger Berufstätigkeit.
Warum ist das mit dem Arbeiten so kompliziert geworden?
Kinder brauchen einen geregelten Tagesablauf, das sollte mir organisatorisch sehr entgegen kommen. Die Realität mit drei so kleinen Kindern läuft aber auf permanente Improvisation hinaus.
“Frau Neumann, Sie arbeiten doch vormittags, oder?” fragte die Erzieherin im Kindergarten. Ohne über das Ziel dieser Frage nachzugrübeln (es ist hier auch völlig uninteressant) war meine Antwort: “Ich arbeite immer dann, wenn ich irgendwie dazu komme. Wenn die Kinder außer Haus sind zum Beispiel. Das ist an idealtypischen Tagen vormittags, ja.”
Zwischen Theorie & Praxis liegen Welten
Rein theoretisch gehe ich mit drei wachen, satten, grob gereinigten und irgendwie angezogenen Kindern um 8 Uhr aus dem Haus. Das heißt noch lange nicht, dass die genannten Adjektive dann auch schon alle für mich gelten. Eher nicht.
Ich brauche ungefähr eine Stunde (Hey, wir haben hier eine super ausgebaute Kinderbetreuung!!!), bis ich alle drei Kinder weggebracht habe und wieder zu Hause bin. Gerne auch länger.
Dann steht hier zu Hause das Frühstücksgeschirr noch auf dem Tisch, der Flur liegt voller Schuhe, kein Bett ist gemacht (nicht dass ich die jemals machen würde), … kurz: Das Ding mit dem Haushalt und so.
Eine gewisse Grundordnung versuche ich herzustellen, bevor ich die Kinder wieder abhole. Für dieses Minimum an Haushalt geht eine halbe Stunde bis Stunde drauf. Der Rest läuft dann später mit Kindern, erledigt der Mann oder eben ich, wenn er zu Hause ist. Ich gehe meistens auch mit den Kindern einkaufen und nicht während meiner Arbeitszeit. Trotzdem bleiben an den vier Tagen im Idealfall maximal vier Stunden für das Büro.
Diese Zeit ist rar und kostbar. Ich überlege mir sehr gut, ob ich sie für irgendwelche Freizeitaktivitäten ohne Kinder “verschwende”. Aber auch die müssten manchmal sein, sonst dreht man irgendwann durch. Also nicht man. Aber ich.
Ich brauche schließlich wieder eine Stunde, um alle einzusammeln. Dann gehört der Nachmittag entweder den schönen Dingen des Lebens mit Kindern oder dem weniger schönen Haushalt/Pflichtaufgaben mit Kindern.
Idealfall ist eine Utopie
Wenn die Kinder zu Hause sind, wird es mit dem Arbeiten kompliziert.
Selbst mit zweitem Elternteil zu Hause. Mir wäre es ja egal, wenn die Kinder in ihren Zimmern nebenan spielen würden, aber sobald ich das Büro aufsuche, folgen sie mir. Eines der Kinder muss immer nachsehen, was ich so ganz alleine da mache. Mutti kannse halt nicht alleine lassen. Würde ich auch nicht. Weiß der Geier, was die dann anstellen würde? Arbeiten?
Im Krankheitsfall ist so ein Home Office als Option super.
Kurzzeitig.
Langfristig eher nicht.
In den ersten drei Monaten diesen Jahres waren meine drei Kinder an genau drei Tagen alle drei in Betreuung. An den anderen Tagen war immer eines krank zu Hause oder gar im Krankenhaus.
Natürlich kann man zwischendurch ein paar E-Mails beantworten, wenn ein oder zwei Kinder dabei sind. Kleinigkeiten erledigen. Fleißarbeiten durchklicken. Projekte absprechen. Wenn die Gesprächspartner für leicht schizophren wirkende, parallele Diskussionen mit meinem Nachwuchs Verständnis haben (müssen sie bei mir haben), auch telefonieren.
Aber ich kann nicht einmal einen kompletten Blogpost schreiben, wenn mir währenddessen 20 Warum-Fragen gestellt werden, ich im 5-Minuten-Takt die Rotznase putzen muss, das Kind dreimal zum Klo bringe, zwei Bücher vorlesen soll, die Reifen vom Traktor wieder anbringen muss und der Puppe ihr Haargummi zurechtzupfen will. Es mag überraschen, aber auch dafür muss ich mich ein kleines bisschen konzentrieren. Es hilft zumindest, wenn ich nicht ständig im Schreibfluss unterbrochen werde.
Es ist nicht so, dass meine Kinder mich stören wollten.
Sie sind Kinder. Kleine Kinder. Wenn ich sie bitte, mich in Ruhe zu lassen oder vielleicht neben mir ruhig zu malen, dann sind sie brav still. Wirklich! Für ungefähr vier Minuten. Das ist ziemlich lange! Aber dann muss ich mir eben kurz die grüne Sonne ansehen und bitte nochmal den Kleber geben. Weitere acht Minuten später ist malen langweilig und wir könnten doch ein Buch lesen, oder Mama?
Mama müsste aber eigentlich arbeiten.
Wird sie aber an so einem Tag nicht produktiv. Da macht man Fleißarbeit und Dinge, die nicht allzu viel ungeteilte Aufmerksamkeit am Stück brauchen.
“Du hast es gut,” sagte eine andere Kindergartenmutter zu mir, “du kannst ja von zu Hause arbeiten. Das würde ja kein Arbeitgeber mitmachen!”
Ähm ja. Auftrageber machen das noch viel weniger lange mit als Arbeitgeber. Der nächste Freiberufler ist nur einen Klick weit entfernt, wenn ich mich permanent nicht Absprachen halten kann, Deadlines verschieben muss und einfach nichts gebacken bekomme.
Und so improvisiere ich vor mich hin. Diese Woche begann mit fiebrigem großen Sohn und endet mit einem Rückfall in unsere Winterzeit. Ich stelle mich schonmal auf einige Wochen Ausnahmezustand ein. Bin ich ja drin geübt.
Hallo, ich bin Kerstin.
Ich arbeite freiberuflich von zu Hause aus. Als Mutter von drei kleinen Kindern ist das super praktisch. Ich bin mein eigener Chef. Ich kann mir meine Zeit frei einteilen. Ich kann immer und überall arbeiten.
Ich spare Arbeitswege (fahre aber zwei Stunden am Tag Kinder durch die Gegend), habe deswegen total viel Zeit für den Haushalt (der ist ja gleich neben meinem Büro) und Familie über. Wenn die Kinder mal krank werden, kann ich sie ganz bequem mitbetreuen. Vom Büro aus. Im Büro. Ist ja eh zu Hause.
Ich bin Kerstin, Mutter von drei kleinen Kindern und wäre manchmal gerne Angestellte mit festen Arbeitszeiten. Egal wo. Egal in welchem Job.
Eure Kerstin
Ein paar nachgeschobene Anmerkungen:
Dies ist ein kleiner Beitrag zur Blogparade von und auf “glücklich scheitern”, wobei ich theoretisch vorhabe, noch ein paar Tipps für das Home Office zu ergänzen/nachzuschieben.
Eigentlich sollte das schon dieser Test werden. Schließlich habe ich Ahnung von Home Office… und Erfahrung… und kann total effizient von zu Hause arbeiten… und liebe es… hüstel… mich überkam aber gerade ein anderer Text. Dieser.
Geht aber gleich wieder. Ich suche fix meine positive Einstellung zu den Dingen. Also zu allem… *moment* Wir lesen uns! 😉