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Sommerhitze 2020 – Eltern sein in der Pandemie

Die Hitze lähmt. Sie macht alle müde und träge, bremst, zieht Energie. Und sie macht mir Gedanken zäh wie Brei. Doch das Gefühl ist gar nicht so neu.

Die Pandemie hat uns alle ausgebremst und aus dem Alltag gerissen. Sie frisst mit ihren Begleitumständen Energie, bei denen, die ebenjene vorher schon nicht im Überfluss hatten. Und so setze ich zu Gedanken an, die ich müde nie zu Ende denke.

Erinnerungen an eine andere Zeit

In der ersten Märzwoche, der letzten Woche, bevor die Schulen geschlossen wurden, so kurz vor der Totalbremsung, damals als langsam absehbar war, dass etwas auf uns zu kommt (schon da ist und nur lauert), was wir in den Ausmaßen nicht abschätzen konnten, damals ergab es sich als Zufall, dass unser Alltag zwei Tage beobachtet wurde von einem Kamera-Team.

Mir blieb in Erinnerung, dass sie drei jungen Herren schon nach einem Tag staunten, wie wir das schaffen – diesen unseren Alltag. Woher wir die Energie nehmen würden. Und wir lächelten, denn es lief ja gut. Wir waren glücklich mit unserem Alltag. Er war voll und er war etwas atemlos, aber alles griff ineinander, war von uns gut organisiert. Wir hatten Spielraum für Improvisation und hatten genau den Belastungspegel, den wir gut leben konnten. Wir hatten eine Balance zwischen Familie und Berufen, zwischen Partnerschaft und Elternschaft, die Aufgaben waren verteilt und alles passte für uns in unserem anstrengendem, aber schönen Alltag.

Und dann war alles anders

Jetzt wurde aus der Reportage bis heute nichts, denn die Zeiten änderten sich, die Pandemie stellte alles auf dem Kopf, die Themen waren andere. Die Bilder von damals habe ich nicht gesehen bisher, aber sie haben etwas festgehalten, was es so nicht mehr gibt. Was schneller völlig veraltert ist, als jemals jemand vermutet hätte. Und daran muss ich denken.

Einen Alltag ohne Masken und Abstand, einen Alltag mit Freunden und beruflichen, privaten, schulischen Terminen. Einen Alltag im Büro und in der vollen Bahn.

Die Reportage soll jetzt trotzdem irgendwann ausgestrahlt werden (und nein, wir sind eigentlich nicht das zentrale Thema darin) und so sollten die Bilder ergänzt werden, um die neue Wahrheit. Wir erwarten also die Tage wieder Besuch. Besuch mit Masken und Abstand, der auf einen völlig anderen Alltag nach den Sommerferien hier trifft.

Nichts ist mehr planbar

Und während ich versuche, unsere Termine und unseren Tagesplan für den Ablauf des Drehtages zu verkünden, merke ich, wie anstrengend das ist. Nein, ich kann nicht zwei Wochen vorher sagen, wann die Kinder in der Schule und im Kindergarten sein werden, denn das erfährt das coronageplagte Elternteil eher kurzfristig. Ich weiß nicht, ob ich im Home Office arbeite und vielleicht sogar ins Büro fahren könnte, wenn ich wollte. Wir werden beide keinen Urlaub haben und arbeiten müssen. Das weiß ich.

Aber wie wir dass denn dann machen, wenn die Kinder nicht in Schule und KiGa sein werden?

Na wie schon, irgendwie. So wie die letzten Monate.

Wir improvisieren uns meisterhaft durch die Pandemie, wir teilen uns auf, wir sind ein kleiner 2-Personen-Krisenstab, der jede Woche, jeden Tag sich neu auf die Gegebenheiten einstellt.

Der auf dem Ponyhof der Glückseligen tagt, weil hier niemand krank ist, keine Arbeitgeber wild drohen, kein Job gekündigt, niemand in Kurzarbeit ist, das Geld nicht knapp wird und wir zu zweit sind. Aber statt Alltag in einer gleichberechtigten Partnerschaft und kleinen Großfamilie, haben wir permanent Ausnahmezustand im 2-Personen-Pandemie-Krisenstab. Ohne Aussicht auf ein Ende, ohne spürbare Wahrnehmung seitens Politik oder echte Hilfe von offizieller Seite.

Krisenmodus als Dauerzustand

Wir sind Eltern. Wir haben uns das so gewünscht und ausgesucht, wir wollen es nicht anders. Eltern sind zwangsläufig Organisationstalente oder sind zumindest dazu gezwungen. Wir sind duldsam und haben jahrelangen Schlafmangel ertragen.

Wir organisieren auch die Pandemie uns zurecht. Kein Ding. Wir schlafen halt weniger, wir arbeiten in Schichten, wir arbeiten mit Kindern auf dem Schoss und subtrahieren über den Zehner hinweg und erklären den Aufbau des Auges, während wir dem Chef eine Auswertung vorbereiten.

Das können wir. Das machen wir nicht einmal schlecht. Aber es kostet uns irre Energie.

Wie lange können wir noch?

Damals… im Frühjahr, da waren nach drei Wochen endlich Osterferien. Wir holten Luft. Wir stornierten die Reise und statt einer gemeinsamen Woche, nahmen wir beide versetzt die zwei Wochen Ferien frei. Eine Woche du, eine ich.

Luft holen. Aber schon damals habe ich es ausgesprochen, dass wir diese drei Wochen gut gemeistert hätten als Familie, als Team. Wir hatten das geschafft – ohne Großeltern – ganz isoliert – ohne Kinderbetreuung – mit zwei vollzeitnahen Stellen und doppeltem Home Schooling – OHNE NERVENZUSAMMENBRUCH. Aber es war ein Sprint in einer Ausnahmesituation und ich saß da, hatte Angst vor den nächsten Wochen. Wir hatten das so gut gemacht, aber wie lange könnten wir das weitermachen? Wann können wir nicht mehr? Sprinttempo geht nicht auf Marathondistanz.

Wir sind jetzt schon Monate über diese Gedanken hinaus. Die Sommerferien gehen zu Ende.

Home Office mit Kindern ist kein Ponyhof

Es gab so charmante Geschichten, dass Familie im beruflichen Umfeld sichtbar würde, weil die Kinder in die Video-Konferenz reinturnen. Und es ist gut, wenn man die Möglichkeit hat auch von daheim mit Kindern weiterzuarbeiten. Aber das ist kein Dauerzustand. Das behaupte ich mal so.

Denn ich bin diejenige, die meine Kinder meinen, wenn sie rufen “Mama, wo sind die Filzstifte?”, “Mama, guck mal schnell.” oder eiligeres. Ich bin diejenige, die darüber nicht nur lächelt, ob der charmanten Unterbrechung.

Ich bin diejenige, die antworten soll, die helfen soll, die antworten will, die helfen will, die ihre Konzentration aufrecht erhalten muss. Ich bin diejenige, die eine Digitalstrategie erklärt, während sie dem einen Kind die Nase putzt und dem anderen zuflüstert “Gleich, ich muss arbeiten…” zum 20. Mal am gleichen Tag.

Ich bin diejenige, die immer bei ihren Kindern ist und ihnen trotzdem keine volle Aufmerksamkeit schenken kann. Ich bin diejenige, die sich heute während einer Videokonferenz im Zentrum einer irren Sitcom wähnte, weil sich die Kinder plötzlich hauten, weinten und stritten, immer einer ins Bild rannte und „Hallo!“ rief und sich für das Tablet nur als Wurfgeschoss interessierten. Das ist nach der dritten derartigen Unterbrechung einfach ANSTRENGEND! Und schreit doch danach, dass die Kinder JETZT meine Aufmerksamkeit bräuchten, sonst wären sie nicht so. Ich weiß das. Aber ich muss trotzdem irgendwie arbeiten.

Ich bin diejenige, die gleichzeitig arbeitet und Kinder betreut/beschult. Die immer auf mehreren Kanälen funkt, nichts ganz macht, allen versucht gerecht zu werden. Ich bin ein Elternteil.

Wir Eltern sind diejenigen, die sich abstrampeln, damit das funktioniert. Die Masken tragen und ihren Kindern Masken aufsetzen, die sich und die Kinder distanzieren, fern halten aus Freibädern und von großen Feiern. Die all das selbstverständlich machen, weil es gemacht werden muss, weil da eine Pandemie ist, die nun einmal da ist und in der wir solidarisch jeder unseren Teil leisten müssen. Wir Eltern eben für die Kinder mit.

Eltern tragen Verantwortung. Sie sind darin geübt, verantwortungsvoll zu agieren und sich nicht nur um sich selbst zu sorgen.

Aber ich frage mich, warum so wenige solidarisch mit den Eltern sind. Warum Kinder keine Priorität haben (außer als gefährliche Virenschleudern). Warum sich nicht mit genau so großer Energie darum gekümmert wird, Familien vor dem Zusammenbruch zu bewahren, den Kindern eine sichere Möglichkeit auf Bildung (gerne auch auf Distanz) zu ermöglichen? Warum gibt es nach all den Monaten noch keine verbindlichen Standards für den Fall des Fernunterrichts, der sicher noch phasenweise auf uns zu kommt? Warum denkt keiner daran, dass wir das nicht ewig so weiter leisten können? Warum wird es Eltern selbst schwer gemacht, das Kind auf Corona testen zu lassen, wie Andrea heute schrieb?

Kinder können sich nicht wehren, keine öffentliche Debatte einfordern. Und ihre Eltern sind zu müde. Jetzt erst recht. Aus Gründen.

Ich vermute, dass das auch daran liegt, dass Kinder nicht wählen gehen dürfen. Sie sind als Zielgruppe nicht interessant und deswegen wird in Puncto Corona so wenig für sie getan.

Runzelfüsschen: Corona Test für Kinder – auch hier werden Eltern allein gelassen

Wir sollen uns in einem neuen Alltag einrichten, aber wie?

Es gibt Stimmen in der öffentlichen Debatte, die davon ausgehen, dass wir noch sehr lange mit dem Virus leben müssen. Dass aus dem Ausnahmezustand ein neuer Alltag erwachsen muss. Dass wir mit dem Virus erstmal leben müssen. Wer debattiert dann mal laut mit, wie der für Familien aussehen soll?

Wir sind am Limit auf unserem Ponyhof und mehr als einmal habe ich laut gedacht, ob wir Stunden reduzieren, weil wir das einfach auf Dauer nicht packen.

Damals als das Kamerateam das erste Mal da war, passte alles super. Für uns waren die 30/35 Wochenstunden nicht zuviel. Es ging nicht über unsere Grenzen hinaus und nichts, was uns wichtig war, musste leiden.

Aber jetzt leidet immer etwas, jetzt gehen wir über das Limit, jetzt kommt vieles viel zu kurz, was uns wichtig ist. Wir sind müde, wir haben keine überflüssige Energie, die Gedanken sind zäh. Keine Zeit für Hobby, für das Bloggen, angespannte Nerven, gestresste Stimmung, zu wenig Zeit für wirkliche Aufmerksamkeit den Kindern gegenüber.

Dabei müssten wir soviel gerade bei den Schulkindern zusätzlich ausgleichen, an Schule nachholen, viel mehr üben, weil sie wirklich einiges an Schulstoff dieses Jahr nicht gelernt haben und auch im nächsten halben Jahr noch viel mehr Lücken dazukommen, wenn wir das nicht mit mehr Energie unsererseits ausgleichen.

Klar, die meisten Schüler werden die Lernlücken dieses Frühjahrs aufholen können, falls der Unterricht sich von nun an normalisiert. Sollte die neue Normalität aber aus weiteren Unterrichtsausfällen und -verkürzungen, E-Mail-Hausaufgaben und Videostunden bestehen, wird dies die Lebenswege vieler Schüler dauerhaft beeinflussen.

DER SPIEGEL: Wir brauchen dringend einen neuen Schulalltag

Das konnte ich lange wegschieben aus meinem Kopf, denn am Ende werden die paar Wochen weniger Schule nicht so schlimm sein. Lieber wollte ich uns vor dem Nervenzusammenbruch und zuviel (zusätzlichem) Stress bewahren. Doch jetzt sind es schon Monate und es kommt noch mehr… immer mehr…

Was zu Anfang der Pandemie noch als Ausnahmesituation durchgehen konnte, muss nun einer neuen Normalität weichen – einem Zustand, der auf Dauer für alle Beteiligten und die Gesellschaft insgesamt tragbar ist. Besser gesagt: So sollte es sein. Aber so ist es nicht.

DER SPIEGEL: Wir brauchen dringend einen neuen Schulalltag

Es hilft ja sonst keiner, wenn wir nicht wollen, dass die Bildung unserer Kinder der Pandemie zum Opfer fällt, müssen wir da langsam mit mehr Energie/Zeit ran. Woher sollten wir die nehmen, wenn nicht vom Job.

Der Traummann besteht erstens darauf, dass wenn einer reduziert, er es ist,
und zweitens gar keiner jetzt reduziert, weil wir schaffen das schon.
Er ist da knallharter Optimist und glaubt, wir schaffen das.*
Aber ich weiß eben nicht, wie lange noch.

Wie lange müssen wir denn noch? Ich weiß nicht, ob unsere Puste da ausreicht, wenn die Zielmarke nicht in Sicht kommt,

Warum ist es gesamtgesellschaftlich egal? Wir sind in so einer privilegierten Lage und doch werden wir entweder zusammenbrechen oder unsere Jobs kürzen oder müssen bei der Betreuung oder Bildung der Kinder Abstriche machen. Das kann doch nicht gewollt sein?

Auch der Politik, der Gesellschaft, der Wirtschaft nicht.

Ich weiß es nicht, ich verstehe es nicht, die Gedanken sind zäh. Und über mir entlädt sich in der Sommerhitze ein heftiges Gewitter, das keine Abkühlung und keine Erleichterung bringt.

Eure Kerstin

*Und gibt dafür auch alles… unfassbar, was der seit Monaten für absurde Arbeitszeiten hinlegt, damit wir meist nacheinander arbeiten können.

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