Ich bin ein #Glückskind. Das habe ich neulich auch einmal niedergeschrieben, als mir das (mal wieder) so richtig bewusst wurde. Ich wurde vom Glück reich beschenkt und ich bin privilegiert.
Wir (als Familie) sind auf vielen Ebenen privilegiert, auch finanziell. Wir haben keine großartigen finanziellen Sorgen, auch wenn es sicherlich manchmal hier und da eng wird. Das prägt die eigene Wahrnehmung und da kann ein Blick über den eigenen Tellerrand manchmal wirklich überraschen. So ging es mir die Tage mit einem Tweet von Nina, der mich immer noch beschäftigt.
Das schlimmste an Hartz IV war:
Wir haben wenig Freunde im realen Leben. Damit haben auch die Kinder relativ wenige Spielkameraden. Wenn sie zu einem Kindergeburtstag eingeladen wurden, fragten sie, ob sie dort hin können.
Weil ein Geschenk für 10€ oft nicht möglich war.
9:21 PM – Mar 21, 2018
Kinderarmut hat viele Aspekte
Es ist nicht so, dass ich nie über Kinderarmut nachgedacht hätte, dass ich nicht schon oft über die erdrückenden Sorgen im Alltag und die Probleme schon bei Kleinigkeiten gelesen hätte, dass ich mir einbilden würde, Deutschland habe kein Problem mit Kinderarmut. Es ist dieses greifbare kleine Beispiel, über das ich nie nachgedacht habe.
Nina schreibt in einer Reihe von Tweets darüber, dass sich selbst ihre Kinder darüber bewusst sind/waren, dass eine Einladung zum Kindergeburtstag daran scheitern kann, dass man kein Geschenk kaufen kann. Dass sie von sich aus absagen möchten, weil sie um die finanziellen Hürden bei sooo kleinen Dingen wissen.
Dass sie sich dann nicht einfach freuen können, wenn sie eingeladen werden. Dass die Kinder diesen Druck spüren. Wir in einer Gesellschaft leben, die diesen Kindern diesen Druck spüren lässt. Dass sie selbst nur wenige Kinder zu ihren Geburtstagen einladen können, da mehr Gäste mehr Kosten bedeuten. Dass sie entsprechend weniger Geschenke bekommen werden. Dass sie dann weniger Spielzeug haben. Dass sie weniger attraktive Spielsachen daheim haben und weniger Freunde zu sich nach Hause einladen. Dass sie weniger Freunde haben.
Und da macht man das Fass nicht einmal auf, dass sie auch sonst an weniger Aktivitäten teilnehmen können.

Kinder haben manchmal teure Wünsche
Unsere Zwillinge spielen nun Fußball. Zumindest wollen sie das unbedingt. Das bedeutet: zwei Vereinsbeiträge, zwei Trainingsanzüge, zwei Trikots, zwei Paar Stutzen, zwei Paar Schienbeinschoner, zwei Paar Hallenschuhe und zwei Paar Fußballschuhe für den Platz.
Nein, das habe ich nicht alles auf einmal gekauft und sie bekommen sowas auch nicht alles SOFORT, sie würden die Liste aber gerne noch um Sporttaschen und Torwarthandschuhe und wasauchimmer ergänzen. Gekauft habe ich zB die Trainingsanzüge und bei diesem Kauf auch kurz geschluckt bzw gedacht “Autsch, das summiert sich aber…” Mir war in dem Moment bewusst, dass das was ich da gerade viel finde, sich manche Familien definitiv nicht leisten können. Das waren für mich offensichtlich hohe Ausgaben.* An Probleme bei Einladungen zu einem Kindergeburtstag dachte ich nicht. Bis zu Ninas Tweet.
Kindergeburtstage sind toll
Jedes Kind freut sich, wenn es zu einem eingeladen wird. Oftmals ist es sehr traurig, wenn man nicht eingeladen wird. Für Sonnenschein war es unendlich wichtig, dass er Kinder einladen konnte und dass Kinder diese Einladung einnehmen, da es ihm im Kindergarten letztes Jahr an Spielkameraden mangelte.
Dieses Jahr plant er schon weit im Voraus, wen er alles einladen möchte. Ich möchte nicht, dass irgendein Kind diese Einladung nicht annimmt, weil seine Eltern sich kein Geschenk leisten können. Oder kein zweites in diesem Monat. Nicht (nur) wegen Sonnenschein, sondern vor allem wegen des Eingeladenen. Wen mein Sohn einlädt, der ist mir hier von Herzen willkommen (sage ich jetzt mal noch so naiv, mal schauen, wer da die Jahre über kommen wird… anderes Thema…)
Meine Gedanken habe ich spontan zum Anlass genommen, Nina anzurufen und sie einfach zu fragen:
Liebe Nina, wenn ich den nächsten Kindergeburtstag plane**, kann ich dieses Thema irgendwie im Vorfeld schon “richtig” angehen? Also vermeiden, dass es zu so einem unangenehmen Druck auf das eingeladene Kind und seine Familie kommt? Oftmals weiß man ja nicht zwingend, dass es gerade finanziell sehr eng aussieht bei der Familie.
Am Ende ergab sich ein wundervolles Gespräch über Gott und die Welt, Familienpolitik, Kinderarmut, Musikinstrumente, soziale Schranken und auch eben Kindergeburtstage. Ein paar Ideen und Gedanken daraus, möchte ich mit euch teilen:
Geschenkekisten im Spielzeugladen bestücken
Wenn man Geschenkekörbchen im Spielzeugladen packt, ist es grundsätzlich eine gute Idee, auch kleine (günstige) Artikel darein zu geben. Nach Ninas Erfahrungen reicht das alleine aber nicht, denn diese bleiben nicht unbedingt für die betroffenen Familien übrig. Da ist nicht einmal Geiz der Grund, sondern auch der Gedanke “Ach, die Kleinigkeit nehmen wir dann auch noch dazu.” Sie gibt den Tipp, einen Zettel dazuzulegen mit einem Hinweis, den ich zB so formulieren würde: “Liebe Schenkenden, wenn ihr euch ein Geschenk aus dieser Kiste aussucht, so denkt bitte daran, dass wir auch einige Sachen bewusst für den kleineren Geldbeutel ausgesucht haben. Lasst diese Geschenke bitte für diejenigen, bei denen es knapp ist. Danke.”
Geldgeschenke, Gutscheine und große Wünsche
Größere Kinder haben oft größere Wünsche und dann kommen oft die Gutscheine ins Spiel. Aber gerade Gutscheine lösen natürlich einen Druck aus, da dort explizit steht, wieviel man geschenkt hat. Als Alternative bietet sich an, ein Sparschwein aufzustellen, in das jeder Gast nach seinem Geldbeutel etwas einwerfen kann. Das Schweinchen wird gefüttert, sein dicker Bauch kann Wünsche erfüllen, aber niemand wird blosgestellt, weil er nur einen kleinen Betrag eingeworfen hat.
My2Cents: Es muss generell nicht immer viel Geld kosten
Ich persönlich finde, dass fünf bis maximal sieben Euro im Kindergartenalter generell echt schon für ein Geschenk ausreichen. Das habe ich vor diesem Tweet auch schon so gesehen. Auch ohne dass ich knappe Finanzen dabei im Blick hätte.
Generell schaukelt sich sowas nämlich gerne hoch. Die Kinder erwarten größere Geschenke, der Beschenkte meint später auch soviel schenken zu müssen, andere Gäste orientieren sich daran… am Ende steigt der Erwartungsdruck bzw die Erwartungshaltung.
Dank der Zwillinge kann ich aber auch mal tricksen. So habe ich zu einem Geburtstag, bei dem beide eingeladen wurden, ein ganz tolles Buch ausgesucht, dass aber den Betrag klar überstiegt. Meine Lösung:
Die Zwillingsschwester überreichte ein hübsches Päckchen mit riesiger Schleife voller glitzernder Haarspangen aus der Drogerie für einen klitzekleinen Geldbetrag, der Zwillingsbruder das tolle Buch. Unterm Strich blieb ich in meinem Budget und die Haarspangen waren mindestens genauso toll in den Kinderaugen wie das Buch.
So könnten aber auch zwei Kinder, die keine Geschwister sind, untereinander gemeinsam ein Geschenk aufteilen. Oder man kann daraus lernen, das Haarspangen für manche Kinder ein wundervolles Geschenk sind. In dem Alter sehen die Kinder das noch herrlich wenig in greifbaren Zahlen und ich würde mir wünschen, dass sie das noch eine Weile beibehalten können.
Party mit EVENT-Charakter
Generell bin ich ja nicht vorne weg beim Thema “Mega-Geburtstags-Motto-Party in hipper Location”. Bei unseren eigenen Planungen zum ersten Kindergeburtstag im letzten Sommer kam für mich nur die Frage auf, ob wir auf dem Spielplatz picknicken oder im heimischen Garten bleiben. Planschbecken und ein paar Spielchen, bunten Schokolinsen-Kuchen und fettige Pommes: DAS ist Kindergeburtstag.
Man braucht ja auch noch ein wenig Luft um sich zu steigern. 😉
Nein, mir waren diese aufwendigen Kindergeburtstage schon immer irgendwie suspekt. Aber ich habe nicht darüber nachgedacht, dass es ab einer gewissen Kinderzahl immer ungemütlicher (bis unmöglich) ist, daheim zu feiern, wenn man eine sehr kleine Wohnung hat. Die Kombi Sommer+Haus+Garten macht es uns da leicht.
Auswärts feiern wird dann gerne teurer und da wird das Gedankenspiel richtig kompliziert bzw der Druck bei Familien mit wenig Geld immens. Ich komme also mit meiner Garten-Planschbecken-Pommes-Party nicht nur ziemlich günstig weg, ich kann sie auch nur so feiern, weil wir eben einen Miniatur-Garten hinterm Haus besitzen.*** Sorum hatte ich das bisher nie betrachtet.
Ob es mir nun hilft, nicht mehr unten im Suppenteller zu schwimmen, sondern kurz über den Tellerrand herauszuschauen? Ja, denn es hat meinen Horizont erweitert, ein wenig mehr den Blick geweitet und mich (noch) sensibler für Hürden anderer gemacht. Ob es euch hilft, dass ich das aufgeschrieben habe?
Naja, vermutlich hilft es keinem, aber es schadet auch nicht, denn ihr könnt auch einfach weglesen. Vielleicht denkt aber doch der ein oder andere noch zwei Gedanken über Ninas Tweet nach.
Eure Kerstin
*Natürlich wollen beide auch ein Pferd und Reitstunden. Und Ballettunterricht. Und einen Dinosaurier als Haustier. Wir sind uns wohl alle im Klaren, dass die Wünsche der Kinder manchmal ziemlich grenzenlos und auch wankelmutig sein können. Aber das Fußballding war nun wochenlang konstanter Wunsch beider.
**”Kindergeburtstage planen”, HAHAHA!!! Ich und planen. Ich eskaliere ja eher spontan. Und große Events sind nicht so mein Ding. Aber egal, denn Einladungen muss man mit etwas zeitlichem Vorlauf schreiben. Käme uncool am Tag der Party.
***Selbstverständlich wohnen auch ganz viele Menschen, die sich einen Kindergeburtstag auf dem Ponyhof für 50 Kinder locker leisten könnten, nicht in einem Reihenhaus mit Garten.
Ein toller Beitrag. Vielen Dank dafür!
Lieben Gruß Inga
Ein sehr schöner Beitrag, der nachdenklich stimmt. Ich selber kann dieses immer mehr und größer nicht nachvollziehen. Was spricht denn dagegen, Kindern etwas selbstgemachtes zu schenken? Ein genähtes Kissen, eine geschnitzte Figur, selbstgemachte Süßigkeiten. Gibt viel und ist nicht teuer. Mein Sohn hat zum 4. Geburtstag selbstgemachte Seife geschenkt bekommen, das war für ihn das tollste Geschenk, weil sein Freund das extra nur für ihn gemacht hat.
Oder was spricht dagegen, Sachen vom Trödelmarkt zu verschenken? Viele Sachen da sind quasi neuwertig für einen Bruchteil des Neupreises. Und das ganz unabhängig davon, ob man sich neu leisten kann oder nicht.
Bei unseren Einladungen gebe ich mit voller Absicht immer nur grobe Themen als Vorschläge, so dass jeder selbst entscheiden kann, was er geben kann und will.
Es gibt so viele schöne Sachen, die kein oder wenig Geld kosten und ich finde es extrem schade, dass schon Kinder lernen, wieviel ein Geschenk kosten darf.
Ich hatte bisher bei unserem einzigen Kindergeburtstag der Vergangenheit gar nichts auf die Karten dazu geschrieben. Generell vermute ich aber, dass es leichter fällt, bewusst etwas weniger kostspieliges bzw selbstgemachtes zu verschenken, wenn es eben aus einer bewussten Entscheidung und nicht aus Zwang bzw Geldmangel kommt. Ist nur eine Theorie meinerseits, aber ja ich mag solche ganz persönlichen Geschenke auch sehr!
Liebe Kerstin, vielen Dank für die Tipps! Die finde ich wirklich hilfreich! Mit dem Thema KIndergeburtstag bin ich immer noch nicht warm geworden, seitdem ein ein selbst organisierter ziemlich daneben gegangen ist. Der große Sohn hat auch einen Freund, dessen Familie wenig Geld hat, aber irgendwie sind wir da immer drumherumgesteuert. So bleibt in jedem Jahr das große Bangen, was wir wie machen können. Schön, dass du wieder schreibst!
Viele Grüße, Mara
Liebe Mara ach <3 Ich bin mir sicher, du findest einen empathischen Weg und es wird eine lustige Feier.
Deine Kerstin
Wie wäre es denn, wenn Dein großer Sohn (weiß ja nicht, wie alt er ist) mit seinem Freund mal nur alleine feiert, Ihr dann was Schönes macht zusammen? Wenn er schon sehr viel älter ist, dem Freund auch mal erklären, dass er etwas „basteln“ oder „backen“ könnte oder auch mal nur so zum Geburtstag kommt (wer sagt denn, dass man ein Geschenk mitbringen MUSS?).
Guten Morgen,
finde ich gut, das Thema. Hier in der Umgebung ist es zwar gerade nicht so das Thema, aber ich wohne noch nicht lange hier und weiß aus früheren Zeiten und auch aus eigener Erfahrung, wie es ist, jeden Cent mehrfach umdrehen zu müssen. Ich habe auch schon gut erhaltenes, gebrauchtes Spielzeug verschenkt.
Was mir immer noch gegen den Hut geht sind diese großen Mottopartys…und das WO wird gefeiert…Grauslig. Ich handhabe es immer noch so, dass es die „guten alten Kindergeburtstage“ gibt, mit Topfschlagen, Stuhltanz, Rätselraten, etwas Basteln und viel Spaß und Musik. Oftmals wird dann später auch gesagt, DAS war ja mal ein schöner Geburtstag. Es muss nicht der Indoorspielplatz oder das Schwimmbad oder das Kino sein…
Leider werden die Kinder älter…wir sehen es an unserer Mittleren, mittlerweile 7, dieses Jahr ging es noch, eine Winterparty mit Anna&Elsa…aber nächstes Jahr wird es dann voraussichtlich etwas weniger „babyhaftes“ sein müssen – aber da wird uns bestimmt auch was einfallen 😉
LG Ivi
Danke, dass du dich in deinem Beitrag darauf konzentriert hast, was DU tun kannst. Und nicht Ratschläge erteilst, wie arme Familien schenken können. Natürlich ist es ein Reflex zu sagen „Ihr könnt doch auch….basteln/sparen/2nd Hand“ aber das Belehren greift halt in deren Handlungsspielraum und Entscheiden ein und ist auch eine Folge von Armut.
Danke, für diesen wunderbaren Beitrag. Leider gibt es immer noch ( und es wird immer noch mehr geben) Kinderarmut in Deutschland. Leider – und das ist ganz normal bei Kindern, sie vergleichen die Geschenke. Und wenn ein Kind mit einem selbst gebastelten Geschenk kommt, auch wenn es noch so schön ist, ist es nicht das gleiche wie ein gekauftes Geschenk.
Ich denke die Eltern sollten mit den Kindern sprechen, das es nicht auf ein Geschenk ankommt, sondern auf die Feier und das zusammen sein. Auch das kann man einem Kind vermitteln.
Wir haben auf unseren Kindergeburtstagen, unsere Kinder sind 9 und 12, ganz auf Geschenke verzichtet. Es war zwar eine Überwindung aber so konnten alle Kinder, egal welches Einkommen die Eltern haben, kommen.
Hallo miteinander,
Mein Sohn feierte letzte Woche seinen 10. Geburtstag. Zum Thema Geschenke möchte ich folgende Idee in die Welt bringen:
Um die Spielzeugflut zu stoppen, Resourcen zu schützen und ganz nebenbei den Geldbeutel zu schonen haben wir (das Geburtstagskind und ich) die Kinder in der Einladung gebeten, sich in ihrem Zimmer umzusehen und zu überlegen was noch toll ist, sie selbst aber nicht mehr mögen/brauchen/doppelt haben. Das hat wirklich super gut geklappt und es sind tolle Dinge verschenkt worden. Anders als bei gekauften Sachen (die ja eh meist die Eltern besorgen) war ein Bezug zu den Geschenken da. Nur eine Mutter bestand darauf, etwas Neues zu kaufen. Mich hat die Idee auf jeden Fall überzeugt! Viele Grüße, Bea