Die letzten Wochen zuckte es immer mal wieder durch meinen Kopf: “Eigentlich müsstest du mal deine ganzen “über mich”-Texte ändern auf dem Blog und Co. Von wegen Arbeiten und so…”
Denn man kann an sovielen Stellen über mich lesen, dass ich erstens arbeite und zweitens sehr gerne (und früher auch sehr viel) arbeite. Mir war das immer wichtig. Aktuell arbeite ich aber defacto nicht mehr. Theoretisch müsste ich dort vielleicht sowas wie Hausfrau & Mutter hinschreiben, aber damit hadere ich. Und das liegt nicht an dem Etikett / die Schublade, über das man sinnieren könnte.
Es ist schlicht nicht wahr. Aber was ist wahr?
Kleiner Exkurs in meine Kindheit
Ich wuchs in den 80ern im Westen Deutschlands auf. Also ziemlich tief im Westen. Im Ruhrgebiet. Ich wuchs dort auf, wo ich heute noch wohne.
Statistiken besagen, dass in den 80ern in Westdeutschland die Kinder zumindest in ihren ersten Lebensjahren daheim und in den allermeisten Fällen von ihren Müttern betreut wurden. Anders als in Ostdeutschland gab es hier keine flächendeckende Betreuung für Kleinkinder und das Modell “Hausfrau & Mutter” galt als normal.
Als Kind denkt man darüber nicht nach, weiß nichts von Statistiken und stellt die IST-Situation nicht in Frage. Die war bei uns damals offensichtlich (zumindest aus heutiger Sicht) nicht der Normalfall.
Meine Mutter war nie die klassische Hausfrau
Meine Mutter hat in meiner Erinnerung immer gearbeitet und ich habe mich nie gefragt, ob das andere Mütter auch tun. Davon ging ich vermutlich einfach aus. Natürlich blieb sie nach meiner Geburt und auch nach der meines jüngeren Bruders eine zeitlang zu Hause. Laut ihren Erzählungen beantragte sie bei mir drei Jahre auszusetzen, kehrte aber nach einem Jahr in Teilzeit zurück. Bei meinem Bruder nach sechs Monaten. Weil sie es so wollte.
Im Westen war keine U3-Betreuung vorgesehen
Die Betreuung für Kinder unter drei Jahren musste privat geregelt und bezahlt werden. Ich kann mich mich noch an unsere Kindermädchen erinnern und zumindest an die letzten beiden (der drei) habe ich sehr gute Erinnerungen. Die erste ist mir nicht im Gedächtnis geblieben.
Mit drei Jahren kam ich in den Kindergarten, später dann in die Schule. Morgens machte uns mein Vater fertig (und ja er kämmte mir auch meine langen Haare und flocht sie gemäß meiner Anweisungen zu Zöpfen). Meine Mutter fuhr sehr früh zur Arbeit, so konnte sie uns mittags wieder von Kindergarten und Schule abholen. Es gab keine OGS und keine Kindergärten, die nachmittags noch geöffnet hatten.
Hatte ich später als zur ersten Stunde Schule oder früher Schluss, ging ich zu meiner Tante. Oft gemeinsam mit meiner großen Cousine, die auf der gleichen Grundschule war.
Ups… es geht auch anders? Echt?
Und genau hier: in der Grundschule merkte ich erstmals, dass es auch andere Mütter gab. Es gab Mütter, die nicht arbeiteten! Das war mir im Kindergarten nicht bewusst.
Diese Vollzeit-Mütter fand ich spannend. Ich beneidete meine Mitschüler nicht, ich haderte nicht mit Mittagessen auf die Schnelle, weil Mama gerade erst mit uns gemeinsam nach Hause kam. Ich haderte nicht mit meinem Schlüssel, den ich dann irgendwann bekam. Ich fand die anderen Mütter spannend. Für mich waren diese Vollzeit-Mütter, die Mütter bei denen es einfach ein bisschen mehr gab. Mehr Zeit, mehr Klimmbimm, mehr geschnitzte Rohkostteller, mehr selbstgebastelte Dekoration an den Fenstern, mehr selbstgebackene Kekse, mehr Schischi.
Es war ein MEHR, dass ich toll fand, aber selber zu Hause nicht vermisste.
Der Blick zurück
Heute ist mir bewusst, dass meine Eltern einen eher ungewöhnlichen Weg gingen. Das Einkommen meiner Mutter wurde in den ersten Jahren ziemlich aufgefressen durch die Kosten der Kinderbetreuung. Aber sie wollte arbeiten. Nicht weil es ihr absoluter Traumberuf gewesen wäre, sondern weil sie gerne arbeitete, weil sie auch etwas abseits von Haushalt und Kindern sehen wollte, weil es für sie selbstverständlich zu ihrem Leben gehörte, weil sie ihr eigenes Geld verdienen wollte.
Das war bei uns damals so, wurde nicht sonderlich thematisiert oder gar glorifiziert. Mama arbeitet. Fertig.
Und ich?
Warum fällt es mir nur so schwer?
Ich habe immer gerne gearbeitet. Ich habe mich schon in der Schule viel gelangweilt (ok, ja es war möglicherweise die falsche Schule, aber das steht auf einem anderen Blatt), fand das Studium nur Mittel zum Zweck und wollte nach Vollzeit-Praktika am Liebsten gar nicht mehr zurück. Ich wollte arbeiten.
Bevor die Kinder kamen, habe ich ziemliche viele Stunden die Woche gearbeitet, oft nächtelang durchgearbeitet. Weil ich es wollte. Ich wurde schwanger, arbeitete weiter (aber weniger), die Zwillinge wurden geboren, ich hörte nie ganz auf zu arbeiten. Ich wurde wieder schwanger und dann wurde es irgendwann kompliziert. Ich schrieb im Sommer schon, dass es eben nicht die perfekte Lösung für uns war “Mama arbeitet von zu Hause“.
Die Umstände. Es sind immer die Umstände.
2017 machte aus mir eine Freiberuflerin ohne nennenswerte Aufträge. Ich kann immer und überall arbeiten. Theoretisch. Ich kann zeitweise mal ganz wenig arbeiten, ich kann ja später aufholen. Ich kann morgen arbeiten, wenn das Kind heute krank ist. 2017 war immer irgendwer krank, immer war irgendwas und am Ende war mein virtueller Schreibtisch leer. Mir ging es damit nicht gut.
Am Ende wurde ich krank, nicht deswegen, aber eben auch das noch. Ausgebremst. Ich sollte nun erstmal wieder ganz gesund werden. Mir die Ruhe antun.
Ich habe den Luxus, dass wir uns das im wahrsten Sinne des Wortes leisten können. Hier bricht nicht der totale finanzielle Notstand aus, nur weil ich gerade kein Einkommen habe (auch wenn es natürlich sehr fehlt).
Wir haben ja auch wieder Winter. Auch wenn dieser Winter keinem Vergleich mit dem vorherigen standhält, wissen alle Eltern kleiner Kinder, dass im Winter die Infekthölle brodelt. Irgendwer ist hier immer angeschlagen.
Ruhe und Gelassenheit
Ich versuche mir mit aller Macht die Ruhe anzutun. Dann bin ich eben mal eine zeitlang nur Hausfrau und Mutter. Ich muss mich nicht mit Deadlines stressen, ich kann täglich Kuchen und Kekse backen, kann mit den Kindern lustige Fensterbilder basteln, kann mit Freundinnen (bleiben nur die im akuten Mutterschutz) vormittags Kaffee trinken gehen, kann nähen und stricken, batiken und klöppeln, ich könnte schreiben… ohne Ende schreiben, ist doch wunderbar, oder?
Allein ich merke, wie wenig das zu mir passt. Nein, ich bin nicht mehr frustriert wie noch im Sommer. Mir ist nicht zum Heulen und ich sehe das Glück, dass wir haben. Aber ich habe mich hier ziemlich lustlos in meine Schublade verkrochen.
Ich schreibe kaum noch. Eigentlich gar nicht mehr. Ich mag nicht. Worüber auch? Und wieso? Ich nähe auch nicht. Was hätte ich Zeit zu nähen! Das war doch in den stressigsten Zeiten mein Ausgleich. Jetzt könnte ich ganze Kleiderschränke füllen und ich lasse es.
Die Tage gehen einfach so rum. Ich bin zu Hause, ich räume mal ein wenig auf, ich bin nicht gründlicher dabei als sonst auch. Ich mache nicht all die Dinge, zu denen ich sonst nie kam. Ich trödel so meinen Tag vor mich hin. Es deprimiert mich nicht, aber ich kann keine echte Begeisterung für dieses Leben aufbringen.
Zuviel Ruhe bekommt mir nicht
Ich bewundere die Eltern, die bewusst nicht arbeiten, um ihren Kindern von allem ein wenig MEHR zu bieten. Diese Mütter meiner Kindheit. Die waren doch toll, oder?
Aber so wenig ich damals mir eine Mutter wünschte, die so ist. So wenig kann ich mich heute in diese Rolle einfinden. Ich fühle mich einfach wie in eine Zwangspause versetzt. Meine Motivation ist nicht gerade überschäumend.
Und deswegen ist es einfach nicht wahr: Ich bin keine Vollzeit-Mama. Keine Hausfrau &Mutter. Zumindest keine aus Überzeugung. Ich bin eine derzeit-ausGründen-zwangsweise-nichtarbeitende-nebenbei-auch-sehr-gerne-Mutter-seiende-aktuell-ziemlich-gelangweilte-Frau, die ihre Berufstätigkeit vermisst.
Und jetzt?
Es fehlt das Mega-Fazit des Textes. Da schreibe ich mir 1.300 Wörter zusammen, die wunderbar aufzeigen, dass ich ich vielleicht einfach nicht der Typ für dieses Vollzeit-Mama-Ding bin. Dass vermutlich meine Eltern daran Schuld sind. Dass es mich irgendwie ziemlich langweilt oder zumindest nicht sonderlich begeistert.
Aber das braucht es für mich gar nicht. Ich wollte nur schreiben. Ich habe geschrieben. Und das ist gut wie es ist.
Eure Kerstin
P.S.: Übrigens beruhigt es mich sehr, dass es anderen Müttern genauso geht. Nachzulesen bei nullpunktzwo, die nämlich genau deswegen arbeitet. Als Mutter von vier Kindern.