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Kind greift zu glutenhaltigen Waffeln

Zöliakie: Wie ich zum komplizierten Gast und unbequemen Kundin wurde

Café: Etwas Süßes zum Kaffee dazu?

“Ein Stück Kuchen dazu?” die Verkäuferin lächelt bei dieser Routine-Frage, die mir gilt. Ich habe gerade im hippen Kaffee-Laden einen hippen Kaffee gekauft. To Go. Im eigenen Becher. Ich bin ja brav (und schweife ab).

“Nein,” sage ich und setze schulterzuckend nach,“ihr habt ja sicher nichts glutenfreies.” Letzteres murmele ich eher mir zu, denn die Kuchenauslage ist verlockend und ich würde zu gerne zugreifen können. “Doch!”,erwidert sie Freude strahlend,“wir haben glutenfreie Himbeer-Brownies und die schmecken wirklich verdammt gut.”

Ich sehe die Brownies, auf die sie zeigt, und glaube es ihr. Also dass sie gut schmecken. Sie sehen traumhaft aus. Ich würde sie auch verdammt gerne essen. Stattdessen nuschel ich eine Entschuldigung und verschwinde. Warum?

Diese ziemlich verlockenden glutenfreien Himbeer-Brownies stehen in der Kuchenauslage in guter Nachbarschaft. Links daneben steht ein Apfelstreusel und rechts daneben ein Cheesecake. Nichts gegen Apfel- oder Käsekuchen. Aber diese sind in diesem Fall nicht glutenfrei und teilen sich den Platz in der Kuchentheke mit einem glutenfreien Kuchen. Die Himbeer-Brownies sind somit raus für mich. Zu hoch die Kontaminationsgefahr. Zu hoch die Wahrscheinlichkeit, dass sie “Spuren von Gluten” enthalten. Zu groß die Gesundheitsgefahr für mich. Zumal leider die Kuchenschaufel (wie nennt man dat Teil eigentlich in Hochdeutsch?) wohl für alle Kuchen gleichermaßen genutzt wird.

Es ist super, dass es an sovielen Stellen (wie zB in Cafés) glutenfreie Alternativen gibt. Aber leider sind sie oft eher für Konsumenten gedacht, die einfach auf Gluten verzichten MÖCHTEN, weil sie sich dann wohler fühlen.*

Ich muss das genauer nehmen. Ich bin pingelig. Ich fluche.

Supermarkt: Meine Frau darf dann heute nichts essen?

“Guten Tag. Ich hätte gerne vier Bratwürstchen,” äußert der Traummann seinen Wunsch an der Fleischtheke im Supermarkt, “können Sie mir bitte sagen, ob die Gluten enthalten?”

Er erntet einen irritierten Blick. Also das wisse sie nicht, meint die Fleischereifachverkäuferin (oder vielleicht auch nur Aushilfe an der Theke). Ob sie bitte nachsehen könne, hakt mein mir Angetrauter nach.**

Leise murrend sucht die Verkäuferin einen Ordner aus einem der Fächer und blättert. Hinter dem Traummann verdrehen andere Kunden die Augen. “Also ich finde das jetzt nicht so schnell,” verkündet die Dame hinter der Fleischtheke und sieht ihn in Erwartung einer Reaktion an.

“Sie wollen mir also sagen, dass ich keine Auskunft über die Inhaltsstoffe erhalten kann?” Schweigen. “Meine Frau darf dann heute keine Würstchen essen?” Ich will im Boden versinken. Die Dame setzt zu einer Erwiderung an und schnaubt dann nur laut ob des unbequemen Kundens. “Ich wünsche Ihnen dann noch einen schönen Tag, wir nehmen nichts.”

Mein Mann dreht sich um und geht.

Ich bin anstrengend. Ich fluche.

Bisher auf dem Blog zum Thema Zöliakie:
* Jahresrückblick 2018 mit der Diagnose
* Eine romantische Pizza
* Die Wissenschaft des perfekten Einkaufs

Familienfeier: Hast du an mich gedacht?

Es ist Samstagvormittag, ich komme gerade vom Wocheneinkauf zurück. Im Korb unter anderem eine TK-Torte, die ich mir einfach gönnen musste. Denn sie ist glutenfrei und lecker (bisher der einzige fertige glutenfreie Kuchen ohne Geschmack von gezuckertem Styropor, den ich erwischt habe) und vor allem gab es sie in dem Geschäft zu kaufen. Ich konnte sie nicht stehen lassen.

Während ich die Einkäufe verräume, denke ich an die Familienfeier später. Ich ringe mit mir. Soll ich den Kuchen einfach mitnehmen? Bis wir dort sind, ist er aufgetaut und ich hätte einen Kuchen zum Kaffee.

Vielleicht hat meine Gastgeberin aber extra für mich sich die Mühe gemacht, eine glutenfreie Alternative zu besorgen. Schön blöd, wenn ich dann mit dem eigenen Kuchen und der enthaltenden Botschaft “Ich gehe davon aus, du hast nix für mich” aufschlage.

Klar, ich erwarte das nicht. Setze das nicht voraus. Ich esse im Zweifelsfall eben keinen Kuchen und bin dann auch nicht böse. Aber ein Kuchen essen können ist doch netter, als keinen Kuchen essen und nur zusehen. Also ringe ich mich durch. Rufe an.

Hi, ich hab da mal ne Frage. Habt ihr extra Kuchen für mich da oder noch nicht. Weil ich hab hier einen und es wäre kein Problem, dann bringe ich den mit,” ich rede wirr und fühle mich doof. “Also wir haben ganz viele Kuchen da. Da ist sicher einer dabei!”
“Ah ok,” ich zögere, “einen glutenfreien?”
“Ja, also Apfelkuchen und noch so einen mit Schoko und…”
Ich fühle mich wahnsinnig unangenehm und ringe mich zu einem “weißt du, ob da einer von ganz ohne Mehl bei ist?” durch. “Ohne Mehl? Kuchen?” “Du, ich bringe einen Kuchen für mich mit.”

Es ist kompliziert. Ich fluche.

Kind greift zu glutenhaltigen Waffeln
Glutenfrei zu backen ist nicht gerade einfach. Ich muss es komplett neu lernen und erwarte von anderen nicht, dass sie es machen (und die notwendigen 100% kontaminationsfreien Gerätschaften dafür parat haben).

Es ist wie es ist.

Ich lerne das noch. Ich muss es lernen.

Es gibt Rollen, in denen fühle ich mich nicht wohl. Die der unbequemen Kundin, des komplizierten Gastes zum Beispiel. Das bin ich nicht. Oder besser: das war ich nicht, das muss ich nun aber sein. Und an dieser Stelle hadere ich mit meiner neuen Rolle.

Autoimmunkrankheit – Allergie – Lebensmittelunverträglichkeit

Zöliakie ist eine Autoimmunkrankheit, die auch die Merkmale einer Allergie erfüllt. Übersetzt wird sie aber oft mit “Glutenunverträglichkeit”. Was nicht falsch ist, denn ich vertrage kein Gluten. Mein Körper reagiert darauf höchst allergisch und das eigene Immunsystem richtet sich gegen mich. Und da deutet sich auch das Missverständnis an.

Ich habe zum Beispiel auch eine Laktoseintoleranz. Mein Körper verträgt keine Laktose. Vermutlich vor allem deswegen, weil der Darm durch die Zöliakie so kaputt ist. Da überfordert ihn Laktose.

Aber bezogen auf die Laktose kann ich ziemlich unkompliziert sein. Zum einen vertragen laktoseintolerante Menschen meist durchaus ein wenig Laktose. Wieviel ist wohl unterschiedlich. Ich persönlich reagiere nicht auf kleine Mengen. Da muss ich nicht so genau sein.

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Und selbst wenn ich größere Mengen erwische, wenn ich bewusst sage – ach egal, dann bekomme ich eben Bauchweh oder Durchfall. Eine Konsequenz, die ich absolut nicht verharmlosen will, die verdammt unangenehm ist. Aber sie ist überschaubar. Auch zeitlich. Ich schade meinen Körper nicht nachhaltig. Die Konsequenz bezieht sich auf ganz konkrete, zeitlich begrenzte Magen-Darm-Probleme.

Die Konsequenzen beim Gluten sind hingegen für mich gravierend.

Ich muss zwingend Gluten meiden. Komplett. Ich kann nicht mal eine Ausnahme machen oder es nicht so genau nehmen. Ich muss nachfragen. Ich muss es genau wissen. Ich muss penibel auf meine Ernährung achten. Ich darf die glutenfreien Nudeln nicht durch das gleiche Sieb abgießen, in denen vorher normale Nudeln abgeschüttet wurden. Ich muss mir die Hände waschen, nachdem ich die Brote für die Kinder geschmiert habe. Ich habe mittlerweile eine eigene Butter auf dem Frühstückstisch. Ich muss außer Haus entweder nichts essen oder unbequem nachfragen.

Am unangenehmsten ist es mir in den Momenten, wenn es gar nicht mal um eine eigentlich auskunftspflichtige Verkäuferin geht. Sondern wenn die Personen mir eigentlich eine glutenfreie Alternative anbieten wollen, ich sie aber darauf hinweisen muss oder es einfach durch Nachfragen herausfinden muss wie kontaminationsfrei sie nun wirklich ist.

Bei Freunden und meine Familie ist meine Lösung aktuell, dass ich vorher sage: “Mach dir bitte keine Umstände wegen mir. Ich bringe etwas mit.” Das ist zum einen einfacher als die komplizierte Geschichte mit dem ganzen versteckten Gluten und den möglichen Kontaminationen zu erklären, vom Gegenüber zu erwarten sie mal eben umsetzen zu können. Zum anderen habe ich so die Sicherheit, dass das Mitgebrachte glutenfrei ist. Nebenbei kann ich so eventuell mal lernen, wie das mit dem essbaren Ergebnissen von glutenfreier Bäckerei was werden kann.

Außerhalb in Supermärkten, Restaurants, bei Veranstaltungen muss ich entweder viel nachfragen, unbequem sein oder einfach nichts essen. Den Notfall-Snack in der Tasche.

Das ist ok, denn ich kann es halt auch gar nicht ändern. Aber so richtig super finde ich das trotzdem nicht.

Wie ich auf den Beitrag kam? Durch die einleitende Geschichte in diesem Beitrag, der vielleicht auch ganz gut erklärt, wo die Hürden im Alltag mit Zöliakie liegen: Zöliakie: Gefährliche Krümel

Eure Kerstin,
die eigentlich ganz unkompliziert sein mag


Anmerkungen:

*Ich möchte diesen Umstand nicht bewerten, auch wenn ich am Rande mal gelesen habe, dass das nicht zwingend gesundheitsfördernd sei. Aber ich habe schlicht keine Ahnung davon. Ich kann aber ergänzen, dass es neben der Autoimmunkrankheit Zöliakie auch Unverträglichkeiten bezogen auf Gluten, eine Weizensensivität oder auch Weizenallergie gibt. Betroffene müssen/sollten Gluten ebenfalls meiden oder stark reduzieren, sind aber nicht im gleichen Maße auf die absolute Vermeidung von Kontamination angewiesen.

**Gluten gehört zu den 14 in der EU kennzeichnungspflichtigen Allergenen. Ich habe allerdings Gerüchte vernommen, dass es abseits der verpackten Lebensmittel in vielen unserer Nachbarländern besser funktioniert als in Deutschland. Hier muss man meiner bescheidenden bisherigen Erfahrung nach sehr investigativ nachfragen an Verkaufstheken und in Restaurants und findet wenig klare, sofort sichtbare Kennzeichnungen.

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